II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht i.
S.d. § 166
VwGO i.V.m. § 114
Abs. 1 Satz 1
ZPO bietet.
Der für die Bewilligung erforderliche Grad der Erfolgsaussichten orientiert sich am Zweck der Prozesskostenhilfe, die auch dem nicht ausreichend bemittelten Kläger oder Antragsteller den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz zugänglich machen soll. Das bedeutet, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss ist. Andererseits darf Prozesskostenhilfe versagt werden, wenn ein Erfolg im jeweiligen Rechtsschutzverfahren zwar nicht ausgeschlossen ist, ein Obsiegen des Rechtsschutzsuchenden aber fernliegend erscheint. Schwierige, bislang nicht ausreichend geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden.
Vgl.
BVerfG, Beschluss vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 -, NJW 2000, 1936.
Nach dem Vortrag des Klägers erscheint ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren fernliegend.
§ 84
Abs. 1 Satz 1 SchulG
NRW ermächtigt die zuständigen Schulträger (hier: Landrat des Kreises O), betreffend Förderschulen durch
Rechtsverordnung ein räumlich abgegrenztes Gebiet als Schuleinzugsbereich zu bestimmen mit der weiteren gesetzlichen Folge in Satz 2 ebenda, dass die Schule die Aufnahme eines Schülers, der nicht im Schuleinzugsbereich wohnt und der keinen wichtigen Grund für den Besuch der Schule darlegt, ablehnen kann. Diese Regelung mit Gesetzesrang beschränkt das aus § 46
Abs.5 SchulG
NRW folgende Schulwahlrecht der Eltern. Gegen die gesetzliche Regelung ist nichts einzuwenden. Aus der Pflicht zur Vorhaltung von Förderschulen resultieren erhebliche Lasten für die Kreise. Schuleinzugsbereiche stellen deren gerechte Verteilung sicher.
Der Kläger resp. dessen Eltern wohnen nicht im einschlägigen Schuleinzugsbereich und haben auch keinen wichtigen Grund für den Besuch der Schule dargetan.
Ob ein wichtiger Grund i.
S.d. § 84
Abs. 1
S. 1 SchulG
NRW vorliegt, ist durch das Verwaltungsgericht inhaltlich voll überprüfbar. Im Prozesskostenhilfeverfahren lässt die Kammer offen, ob das Vorliegen eines wichtigen Grundes auf außerschulische Erwägungen, insbesondere solche der Erreichbarkeit der Schule (Fahrweg), beschränkt ist oder ob auch Erwägungen der ggfls. unterschiedlichen (vor allem) sachlichen Ausstattung der Schule berücksichtigt werden können. Gegen die Berücksichtigung derartiger Ausstattungserwägungen könnte angeführt werden, dass dadurch Sinn und Zweck der Bildung von Schuleinzugsbereichen unterlaufen wird. Schulen in wirtschaftlich leistungsfähigeren Kreisen, die ihre Förderschulen sachlich überobligatorisch ausstatten, könnten dem Aufnahmegesuch Auswärtiger, die sich auf Grund der besseren sachlichen Ausstattung berechtigt eine bessere Förderung erhoffen, kaum Stichhaltiges entgegen setzen.
Auch unter Einbeziehung aller vorgenannter Erwägungen als potentiell wichtiger Grund hat der Kläger aber keinen wichtigen Grund glaubhaft gemacht.
Gründe der besseren Erreichbarkeit ergeben keinen wichtigen Grund. Es ist bereits nicht dargelegt, dass dem Kläger der gegenwärtige Schulweg aus medizinischen Gründen unzumutbar ist. Dagegen spricht bereits, dass dieser Schulweg seit nunmehr zwei Jahren so gehandhabt wird, ohne dass der Kläger auch nur eine nennenswerte Komplikation aus dieser Zeit konkret geschildert hat, die auf Grund seiner angeborenen Nierenschwäche eingetreten wäre. Dass sich die Nierenschwäche in den letzten zwei Jahren massiv verschlechtert haben könnte, trägt der Kläger nicht vor. Darüber hinaus liegt auf der Hand, dass für eine Fahrstrecke von 17 oder 20 km bei Benutzung des kürzesten Weges regelmäßig keine 75 Minuten anfallen können. Sollte jeweils eine Fahrt tatsächlich im Durchschnitt so lange dauern, läge dies wesentlich daran, dass wegen der Fahrt als Sammeltransport andere Schüler auf dem Hinweg nach dem Kläger abgeholt und auf dem Rückweg vor ihm abgesetzt werden. Insoweit steht es dem Kläger frei, nach erfolgter Glaubhaftmachung der medizinischen Notwendigkeit einer kürzeren Verweildauer im Sammeltransport auf eine Verkürzung desselben bei dem verantwortlichen Träger hinzuwirken, indem die Bitte geäußert wird, die Fahrtroute zur G-Schule zu seinem Vorteil zu ändern. Auch der hier nicht streitige, vom Kläger gegen den Bevollmächtigten des Beklagten behauptete Anspruch auf Einzelbeförderung aus medizinischen Gründen wäre vorrangig gegenüber dem derzeit zuständigen Kreis zu verfolgen.
Angesichts dessen, dass der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, diese Möglichkeit bislang ausgeschöpft zu haben, muss die Kammer nicht der sich danach aufdrängenden Frage nachgehen, ob bei einer Fahrt von X in Richtung T1 zur G-Schule nicht deshalb regelmäßig (deutlich) höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten erzielt werden können, weil - am Beispiel der morgendlichen Schulhinfahrt - die Fahrt von Ost nach West und damit in entgegengesetzter Richtung der Berufspendlerströme erfolgt, während für eine Fahrt von X nach L (West nach Ost) durch die zur gleichen Zeit und in hoher Zahl in den Großraum E fahrenden Berufspendler regelmäßig ein deutlich höheres Verkehrsaufkommen stattfindet, welches auf die Durchschnittsgeschwindigkeit voraussichtlich so erheblichen Einfluss hat, dass der Wegstreckenvorteil dadurch kompensiert wird.
Es ist ferner auch nicht glaubhaft gemacht, dass ein Elternteil den Kläger an der T-Schule im Notfall schneller erreichen könnte, wiewohl auch nicht geschildert wird, um welche Art von Notfall es sich hier handeln soll. In einem medizinischen Notfall können die Eltern des Klägers mangels Ausbildung keine Hilfe leisten, während sonstige (v.a. soziale) Notfälle ungeachtet ihrer Dringlichkeit durch das geschulte Lehrpersonal zumindest bis zum Eintreffen familiärer Bezugspersonen gelindert werden können. Abgesehen davon hat der Kläger auch insoweit keinen einzigen konkreten Fall aus der Vergangenheit geschildert, in dem das sofortige Eintreffen eines Elternteils bei der Schule notwendig war, jedoch wegen der Entfernung nicht
bzw. nicht ausreichend schnell stattfinden konnte. Im Übrigen wäre es den Eltern angesichts der anzunehmenden Seltenheit wirklich existenzieller Vorfälle auch trotz ihrer Bedürftigkeit insoweit ohne weiteres zumutbar, ein Taxi in Anspruch zu nehmen.
Der Kläger hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass sich aus pädagogischen Umständen, insbesondere auf Grund "besserer Ausstattung" der T-Schule, wichtige Gründe für einen Besuch der T-Schule ergeben.
Entgegen der Darstellung des Klägers liegt keine sonderpädagogisch-fachliche Empfehlung zugunsten der T-Schule vor. Soweit sich die Gutachter des Pädagogischen Gutachtens für den Kläger vom 11. Juni 2008 für die T-Schule "als wesentlich günstigerer Förderort" aussprechen, beruht dies nach den Erläuterungen (ebenda Seite 6, Ziffer 3 des Gutachtens) auf den Angaben der Eltern des Klägers zu der vermeintlich günstigeren Anbindung des Elternhauses mit öffentlichen Verkehrsmitteln an die Schule, nicht aber darauf, dass der Kläger nach Auffassung der Gutachter an der T-Schule individuell besser gefördert werden könnte.
Soweit der Kläger aus der unstreitig absolut deutlich geringeren Schülerzahl der T-Schule eine bessere Förderung herleitet, kann ihm die Kammer nicht nur nicht folgen, sondern besteht eher Grund zur Annahme des Gegenteils. Eine größere Schule gleicher Förderart hält zwangsläufig mehr Lehrer vor. Bei der anzunehmenden individuellen Spezialisierung der Lehrer durch dienstliche und außerdienstliche Aus- und Fortbildung ist ohne weiteres davon auszugehen, dass bei einem größeren Lehrkörper höhere Chancen auf eine punktgenaue individuelle Förderung bestehen als bei einem eher kleinen Lehrkörper.
Hinsichtlich des für die Qualität der individuellen Förderung auf den ersten Blick vielmehr wesentlichen Schüler-Lehrer-Verhältnisses besteht nach den Angaben der Beklagten annähernd Gleichstand zwischen den Schulen. Die Kammer sieht insbesondere im Prozesskostenhilfeverfahren keinen Anlass, den Angaben der Beklagten, die als dienstliche Stellungnahme zu werten sind, insoweit nicht zu folgen, zumal es dem Kläger auch insoweit frei steht, eine etwaige Unterdeckung "seiner" Klasse in der G-Schule geltend zu machen und dort um Abhilfe zu bitten.
Aus der Erwiderung der Beklagten ergibt sich auch, dass an der G-Schule Lehrkräfte mit der gebotenen sprachtherapeutischen Ausbildung zum Einsatz kommen.
Die von der T-Schule demgegenüber als zusätzliches Angebot eröffnete Möglichkeit, die dortigen (Schul-)Räume durch private Logopäden für individuellen Unterweisungen nutzen zu dürfen, stellt für sich allein noch keinen wichtigen Grund dar, zumal der Kläger bislang nicht dargetan hat, warum ihm dieser Unterricht nicht zu Hause erteilt werden kann. Die Eltern des Klägers werden bei der Wahl eines geeigneten Therapeuten für den Kläger auch auf dessen Mobilität abstellen müssen. Dies ist ihnen mit Rücksicht darauf, dass sie den Kläger nicht selbst mittels PKW befördern können, zumutbar.
Aber auch bei (hier nicht glaubhaft gemachter) Unmöglichkeit entweder einer Beförderung des Klägers zum Logopäden oder aber eines Hausbesuchs durch den Logopäden besteht für den Kläger die Möglichkeit, die Schulleitung der G-Schule zu bitten, ihm in den dortigen Räumen aus im Einzelfall dringenden Gründen (und damit ohne Präjudiz für eine Vielzahl weiterer Schüler dort) eine derartige Möglichkeit zur Verfügung zu stellen. Auch insoweit müsste der Kläger glaubhaft machen, dass er ernsthaft, aber erfolglos um vorrangige Abhilfe dort nachgesucht hat.
Aus der (mit Gesetz vom 21. Dezember 2008, BGBl. II, 1419) in nationales Recht transformierten
UN-Behindertenrechtskonvention kann der Kläger für sein Begehren nichts über § 84
Abs. 1
S. 1 SchulG
NRW hinaus Gehendes herleiten.
Das nach § 84
Abs. 1 Satz 1 SchulG
NRW eingeräumte Ermessen ("kann ablehnen"), welches es nach dem Wortlaut der Norm wohl auch ermöglicht, bei Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes ein Kind mit Wohnsitz außerhalb des Schulbezirkes aufzunehmen, ist durch den Widerspruchsbescheid ausgeübt ("sehe ich ... keine Notwendigkeit, dass ... aufgenommen wird"). Vertiefende Ausführungen insoweit sind entbehrlich, weil es nach Sinn und Zweck der Regelung dem Regelfall entspricht, bei Nichtvorliegen wichtiger Gründe die Aufnahme abzulehnen. Ungeachtet dessen würde ein Ermessensfehler insoweit lediglich einen Anspruch auf Neubescheidung, nicht aber auf Aufnahme begründen können.
Auf Grund der den Schulen eröffneten grundsätzlichen Möglichkeit, außerhalb des Schuleinzugsbereichs wohnhafte Schüler auch bei Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes aufnehmen zu dürfen, führt es auch ohne nähere Darlegung der vom Kläger behaupteten drei Vergleichsfälle nicht auf eine Verletzung des
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
bzw. Abs. 1
GG, wenn die Beklagte andere auswärtig wohnende Schüler aufgenommen hätte, auch wenn diese ebenfalls keine wichtigen Gründe dargetan hätten. Sollte insoweit (ggfls. auch auf Intervention der Bevollmächtigten des Beklagten) der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass dem durch den Beklagten bevollmächtigen Kreis durch die Aufnahme dieser Schüler keine Fahrkosten entstanden sind
bzw. entstehen, so wäre eine derartige Ermessenspraxis auf den ersten Blick nicht fehlerhaft, weil mit der Aufnahme eines Schülers durch die Schule eines anderen Kreises, der vormals eine Schule im Wohnortkreis besucht hat, die Pflicht zur Tragung der Kosten notwendiger Schülerbeförderung vom Wohnortkreis auf denjenigen Kreis übergeht, welcher Träger der Schule ist, worauf der Landrat des Kreises W die Eltern des Klägers zutreffend hingewiesen hat.
Da die Aufrechterhaltung von Schuleinzugsbereichen, wie ausgeführt, letztlich einer gerechten Lastenverteilung zwischen den Kreisen dient, wäre es von Sinn und Zweck der fortgeltenden Schuleinzugsbereiche gedeckt, wenn innerhalb eines Kreises, in dem Schuleinzugsbereiche bestehen, auswärtigen Schülern, die keinen wichtigen Grund geltend machen können, die Aufnahme nur dann erteilt wird, wenn den Kreis keine Fahrtkosten treffen.