II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Sozialgerichts, die Voraussetzungen für die beantragte einstweilige Anordnung seien nicht erfüllt. Vielmehr hat die Antragstellerin sowohl den erforderlichen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§§ 86b
Abs. 2 Satz 2 und 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG], 920
Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Nach § 86b
Abs. 2 Satz 2
SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes erlassen werden, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist hier der Fall. Die Ablehnung der Übernahme der Kosten für die Verbrauchsmaterialien der Insulinpumpentherapie ist mit Nachteilen für die Antragstellerin verbunden, die ihren Anspruch auf einstweiligen Rechtsschutz begründen.
Ein Anordnungsgrund, also die Notwendigkeit einer vorläufigen Entscheidung im Eilverfahren, liegt vor. Die Antragstellerin verfügt nur über geringe laufende Einnahmen, aus denen sie die Kosten der Verbrauchsmaterialien für die Insulinpumpentherapie nicht erbringen kann. Allerdings verfügt sie nach ihren Angaben auf Anfrage des Senats über ein fünfstelliges Vermögen in Form von DEKA-Fondsanteilen. Damit wäre sie grundsätzlich in der Lage, die Kosten für die Verbrauchsmaterialien für das Gerichtsverfahren zu übernehmen. Diese betragen nach übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten
ca. 3.000,00
EUR pro Jahr. Damit wäre selbst bei einer dreijährigen Laufzeit des Gerichtsverfahrens noch nicht einmal ein fünfstelliger Betrag erreicht. Auch greift der Hinweis der Antragstellerin nicht, dies würde zu einem (teilweisen) Verlust ihrer Altersversorgung führen. Denn für den Fall, dass sie in der Hauptsache obsiegt, hätte sie einen entsprechenden Ausgleichsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin. Sollte sie hingegen im Hauptsacheverfahren unterliegen, wäre sie verpflichtet, die im Rahmen der Anordnung von der Antragsgegnerin vorgestreckten Zahlungen dieser zu erstatten (zur Erstattungspflicht
vgl. etwa Plagemann/Timme MAH Sozialrecht § 47 Rz 97 ff). Gleichwohl sieht der Senat den im Rahmen des Anordnungsgrundes notwendigen Nachteil für die Antragstellerin darin, dass die Verwendung des Vermögens des DEKA-Fonds zu Verlusten durch den Verkauf der Anteile führen würde, die von einem eventuellen Erstattungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin jedenfalls von
§ 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V nicht erfasst wären. Darüber hinaus berücksichtigt der Senat in der Gesamtschau, unter der Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch zu bewerten sind, dass mit dem Vermögen der Antragstellerin in Form der DEKA-Fondsanteile der Antragsgegnerin eine Rückgriffsmöglichkeit offensteht, die das Risiko, letztlich trotz Erfolges in der Hauptsache die Leistungen nicht rückerstattet zu bekommen, minimiert und dass es hier im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein um den, zudem bis zum Ende des sozialgerichtlichen Verfahrens zeitlich begrenzten Anspruch allein auf die Versorgungsmaterialien und nicht um die Versorgung mit der Insulinpumpe selbst geht. Zudem spart die Antragsgegnerin die Kosten der intensiven konservativen Insulintherapie.
Nicht nachzuvollziehen vermag der Senat die Begründung des Sozialgerichts, dass ein Verzicht der Antragstellerin während der gerichtlichen Abklärung des Anspruchs auf die Insulinpumpentherapie zu Gunsten einer intensiven konservativen Insulintherapie keinen Anordnungsgrund begründe. Zwar kann der Senat und voraussichtlich auch ein im Laufe des Hauptsacheverfahrens zu vernehmender medizinische Gutachter keine sichere Prognose über die Auswirkungen eines nicht optimal eingestellten Diabetes bei der Antragstellerin abgeben. Es kann aber nicht zweifelhaft sein, dass das Einhalten von Normwerten das wesentliche Ziel der Diabetestherapie ist. Ein Abweichen von diesen Normwerten über einen längeren Zeitraum, nämlich das Hauptsacheverfahren, ist zu vermeiden. Insoweit sieht der Senat die Gefahr von Spätschäden, die zudem irreparabel und von nicht unerheblicher Ausprägung wären, als ausreichend dafür an, wesentliche Nachteile im Sinne eines Anordnungsgrundes zu begründen.
Der Anordnungsanspruch als weitere Voraussetzung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung liegt ebenfalls vor. Dieser orientiert sich an dem materiellen Anspruch der Antragstellerin auf die beantragte Leistung. Zwar weist das Sozialgericht zutreffend in dem angefochtenen Beschluss darauf hin, dass eine Beweiserhebung, voraussichtlich durch einen medizinischen Sachverständigen, im Hauptsacheverfahren unumgänglich sein wird, um im Einzelnen zu klären, ob die Voraussetzungen für die Versorgung der Antragstellerin mit einer Insulinpumpe vorliegen. Gleichwohl ergeben sich aus dem bisherigen Akteninhalt und den darin enthaltenen medizinischen Äußerungen Gründe für den Senat dahingehend, dass ein solcher Anspruch besteht.
Dies verdeutlicht zunächst der Umstand, dass die Antragstellerin es zunächst unter Anleitung ihres Hausarztes, des Internisten
Dr. L., mit einer herkömmlichen Insulintherapie versuchte, dies allerdings ohne Erfolg, wie die aus den vorgelegten Tagebüchern ergebenden Blutzuckerwerte und die Überweisung der Antragstellerin an
Dr. S. im November 2007 zeigen. Auch
Dr. S. führte diese Therapie mit geänderter Medikation zunächst fort, allerdings ebenfalls ohne Erfolg; dies führte zu dem anschließenden Antrag an die Antragsgegnerin auf Übernahme der Kosten der Insulinpumpentherapie. Es ist nicht zu erkennen, dass damit nicht sämtliche Möglichkeiten der konservative Insulintherapie ausgeschöpft waren, wovon die Antragsgegnerin nach Anhörung des MDK ausgeht. Bei
Dr. S. und der Sa. Klinik O. mit ihrem Schwerpunkt Diabetologie (Schulungszentrum) in der Abteilung für Innere Medizin handelt es sich offensichtlich um eine entsprechend kompetente Einrichtung
bzw. um den entsprechend kompetenten Arzt, die/der sich insbesondere mit der Therapie des Diabetes befasst. Jedenfalls vermag der Senat keinen Grund zu erkennen, warum seiner Einschätzung im Falle der Antragsgegnerin nicht zu folgen ist. Hingegen überzeugen die Ausführungen in den Gutachten der MDK nicht. Die dort geforderte verbesserte Schulung der Antragstellerin geht ins Leere
bzw. wird nicht näher mit einem entsprechenden Defizit der Antragstellerin begründet. Die Gutachten erfolgten allein aufgrund des Akteninhalts.
Dr. S. verweist in seiner Stellungnahme zum MDK-Gutachten vom 2. Mai 2008 darauf, dass die "gut geschulte und bestens informierte Patientin absolut sicher in der BE-Berechnung und Anpassung der Insulineinheiten ist". Zudem können durch eine weitere Schulung auch nicht die Folgen des bei der Antragstellerin vorliegenden Dawn-Phänomens verändert werden, das zu erhöhten Zuckerwerten trotz optimaler Therapie führt.
Darüber hinaus vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, warum in dem Gutachten des MDK vom 11. Juli 2008 unberücksichtigt blieb, dass die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt schon über mehrere Monate mit der Insulinpumpe versorgt war, die Tagebücher schon weit überwiegend morgendliche Werte von unter 140 aufwiesen und
Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 2. Juni 2008 auf Erfolge der Insulinpumpentherapie hingewiesen hatte. Nicht überzeugend ist in diesem Gutachten zudem die Feststellung, es fänden sich in den Tagebüchern bei hohen Zuckerwerten am Morgen häufig hohe Zuckerwerte am Vorabend. Bei Durchsicht der Tagebücher fällt vielmehr auf, dass hohen Zuckerwerten am Morgen häufig niedrigere Werte am Vorabend gegenüberstehen, was für das Vorliegen des von
Dr. S. diagnostizierten Dawn-Phänomens spricht.
Darüber hinaus zeigen die Tagebücher und wird von der Antragsgegnerin auch eingeräumt, dass der HbA1C-Wert unter der Pumpentherapie in den letzten Monaten unter 7 gesunken ist. Warum die Gutachterin des MDK (
Dr. K.) in ihrer letzten Stellungnahme vom 29. Mai 2009 von einer nicht wesentlichen nachhaltigen Besserung und von ähnlichen HbA1C-Werten wie unter
ICT ausgeht, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen und wird von der Antragsgegnerin selbst offensichtlich auch nicht vertreten. Dort wird auch nicht auf die von
Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 17. Februar 2009 angesprochene weitere Problematik eingegangen, dass im Januar 2008 wiederholt aufgetretene nächtlich Unterzuckerungen unter der Insulinpumpentherapie nicht mehr auftraten. Weiter vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, dass der MDK offensichtlich den HbA1C-Werten, jedenfalls im Falle der Antragstellerin, keine so bedeutende Wirkung beimisst, als dort bei ihren Werten unter der herkömmlichen Therapie von relativ guten Werten ausgegangen wird (so das Gutachten des MDK Nord vom 11. Juli 2008).
Ob diese unter der Insulinpumpentherapie objektiv erreichte Verbesserung letztlich den von der Antragstellerin geltend gemachten Versorgungsanspruch begründet, vermag der Senat in der Kürze der ihm für eine Entscheidung im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Zeit nicht abschließend zu beurteilen. Der Senat greift hier auch nicht auf seine Rechtsprechung für die Fälle zurück, in denen im Rahmen des Eilverfahrens bei einem offenen Ausgang gleichwohl ein Versorgungsanspruch besteht, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr beseitigt wären. Denn anders als in den dortigen Verfahren geht es hier nicht um mit der Erkrankung verbundene akute Lebensbedrohungen (dort Krebserkrankung). Es kann aber bei der Gesamtwürdigung nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch der Diabetes bei nicht ausreichender Therapie zu erheblichen Gesundheitsstörungen führen kann und diese Wahrscheinlichkeit auch besteht, wenn, wie hier, über einen längeren Zeitraum nicht ausreichend therapiert wird. Weiter berücksichtigt der Senat, dass, anders als in den dort entschiedenen Fällen, es sich bei der Insulinpumpentherapie um eine schulmedizinisch grundsätzlich anerkannte Therapieform handelt. Der Hinweis der Antragsgegnerin auf das Hilfsmittelverzeichnis bestätigt dies. Soweit sie aber auf die darin enthaltenen Einschränkungen verweist, hat dies grundsätzlich rechtlich keine Bedeutung, da dem Hilfsmittelverzeichnis Normqualität nicht zukommt (
BSG v. 10. April 2008 -
B 3 KR 8/07 R).
Der Senat hat, entsprechend dem Antrag der Antragstellerin, die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Kostenübernahme für die Dauer des Klageverfahrens beim Sozialgericht Lübeck ausgesprochen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass dort eine weitere medizinische Aufklärung durchgeführt werden wird, die gegebenenfalls zu einer Änderung der Anordnung führen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG analog.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177
SGG).