Chronische Venopathien in Arbeits- und Sozialmedizin
Sozial- und arbeitsmedizinische Aspekte - Teil 1, Begutachtungsprobleme - Teil 2
Die chronischen Venenerkrankungen sind von erheblichem sozialmedizinischem und sozioökonomischem Gewicht, und sie beginnen oft früh im Alter der Berufstätigkeit. Sie bedingen bei uns rund 2.500 Frühberentungen pro Jahr. Dennoch fehlt ihnen im gesundheitspolitischen und sozialmedizinischen Bereich die verdiente Anerkennung, was die Betreuung venenkranker Personen am Arbeitsplatz, die ohnehin problematische Begutachtung chronischer Venenleiden und die entsprechende Rehabilitation zusätzlich erschwert. Wenn es auch keine Berufskrankheit gibt, die sich in besonderer Weise am Venensystem manifestiert, so haben die Venenerkrankungen doch wesentliche Bedeutung für die Arbeitsmedizin.
So bedeutet stehende Berufsausübung eine erhebliche Belastung des peripheren Venensystems, sie ist zumindest bei Männern ein Risikofaktor für das Auftreten von Varizen und führt bei Frauen vermehrt zu Beinbeschwerden. Neben traumatischen Schäden am Venensystem kann die thrombose par effort in geradezu typischer Weise durch schwere Berufsarbeit ausgelöst werden.
Auch die Interaktionen zwischen Therapie von Venenleiden und Berufsausübung sind vielfältig, zum Beispiel die einer Kompressionsbehandlung bei sitzender Tätigkeit. Vor allem aber hat der Betriebsarzt besondere Chancen bezüglich der Venenleiden. Trotz der vielfach belegten sozialmedizinischen und sozioökonomischen Bedeutung der Venenerkrankungen hat sich an ihrer offiziellen Minderschätzung kaum etwas geändert.
Wesentlich bei der Bewertung von Venenerkrankungen aus arbeitsmedizinischer Sicht und bei Begutachtungen ist die Beurteilung der funktionellen Beeinträchtigung, wofür heute aussagekräftige nichtinvasive Untersuchungsmethoden für die Praxis zur Verfügung stehen. Selbstverständlich muss immer bedacht werden, dass Beinbeschwerden auch bei bestehendem Venenleiden in fast der Hälfte der Fälle auf anderen Erkrankungen beruhen können, und dass Frauen diese Beschwerden subjektiv oft anders erleben als Männer - auch am Arbeitsplatz. Schließlich müssen Unterschiede einer Funktionsuntersuchung im Liegen oder Sitzen gegenüber der orthostatischen Belastung beim Stehen bei vielen Berufstätigkeiten immer bedacht werden.
[Nachdruck] 01