Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), da diese rechtswidrig sind. Die Klägerin hat Anspruch auf Versorgung mit einem tragbaren mobilen Sauerstoffkonzentrator, entsprechend dem Gerät "Inogen One G3 High-Flow" der
Fa. OxyCare
GmbH. Der darauf gerichtete Leistungsantrag der Klägerin vom 15.03.2016 gilt mit Ablauf des 05.04.2016, 24.00 Uhr, also ab 06.04.2016, 00.00 Uhr, als genehmigt. Die Rücknahme dieser (fiktiven) Genehmigung durch Bescheid vom 05.10.2016 und Widerspruchsbescheid vom 08.02.2017 ist ebenso rechtswidrig wie der Ablehnungsbescheid vom 06.04.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2016.
Nach
§ 13 Abs.3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme insbesondere des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Eine hiervon abweichende Frist bestimmt Satz 4 nur für den Fall der - hier nicht einschlägigen - Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehen Gutachterverfahrens. Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6).
Da die Beklagte zur Prüfung des bei ihr am 15.03.2016 eingegangenen Leistungsantrages der Klägerin nicht ihren medizinischen Dienst eingeschaltet hat, lief die 3-Wochen-Frist nach § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V am 05.04.2016 um 24.00 Uhr ab. Da die Beklagte zu diesem Zeitpunkt über den Leistungsantrag noch nicht entschieden hatte, galt und gilt der Leistungsantrag
gem. § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V als genehmigt. Diese Genehmigung ist ein Verwaltungsakt. Angesichts des Umstandes, dass der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen. Die Fiktion kann somit nur dann eintreten, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die aufgrund des Antrags fingierte Genehmigung bereits im Sinne von § 33
Abs. 1
SGB X hinreichend bestimmt ist (
BSG, Urteil vom 08.03.2016 -
B 1 KR 25/15 R). Gleichwohl dürfen an die Bestimmtheit keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Da der fingierte Verwaltungsakt einem in einem ordnungsgemäßen Verfahren erlassenen - ausdrücklich erteilten - Verwaltungsakt gleichgestellt ist, reicht es aus, wenn sich sein Inhalt aus dem Antrag in Verbindung mit dem einschlägigen Akten im Wege der Auslegung ermitteln lässt (
LSG NRW, Urteil vom 06.12.2016 - L 1 R 680/15). In diesem Sinne sind sowohl der Leistungsantrag der Klägerin vom 15.03.2016 als auch dessen Genehmigung hinreichend bestimmt. Zwar hatte der Vertragsarzt lediglich "ein transportables Sauerstoffgerät" verordnet; jedoch hat die Klägerin wiederholt deutlich gemacht, dass es ihr um ein Gerät des Typs "Inogen One G3 High-Flow" geht.
Der Antrag der Klägerin betraf eine Leistung, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung (
GKV) lag. Die Regelung des § 13
Abs. 3a
SGB V ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck an. Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der
GKV liegen (
BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R). Das beantragte Hilfsmittel unterfällt seiner Art nach dem Leistungskatalog der
GKV. Sauerstoffkonzentratoren fallen unter die Geräte zur Inhalations- und Atemtherapie (Hilfsmittelverzeichnis Produktgruppe 14); konkret das Gerät "Inogen One G3" ist im Hilfsmittelverzeichnis unter der
Nr. 14.24.04.6007 gelistet. Insofern ist die Begründung der Beklagten im Ablehnungsbescheid vom 06.04.2016, das verordnete sei kein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen und Richtlinien, unverständlich.
Aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion kann die Klägerin die begehrte Leistung als Sachleistung unmittelbar von der Beklagten verlangen. Dem steht die Ablehnungsentscheidung vom 06.04.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2016 nicht entgegen. Denn die fingierte Genehmigung bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39
Abs. 2
SGB X;
vgl. auch
BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R). Soweit die Beklagte die fiktive Genehmigung durch Bescheid vom 05.10.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.02.2017 - gestützt auf § 45
SGB X - zurückgenommen hat, war diese Entscheidung aufzuheben, da sie ihrerseits rechtswidrig ist. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45
SGB X liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift setzt die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes zuallererst voraus, dass dieser rechtswidrig ist. Dies trifft aber auf die fiktive Genehmigung nicht zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten beurteilt sich die Rechtmäßigkeit in Fällen einer fiktiven Genehmigung allein nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13
Abs. 3a
SGB V, nicht aber nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs (
BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R;
LSG Saarland, Urteil vom 17.05.2017 - L 2 KR 24/15). Weder hat sich im Fall der Klägerin etwas ergeben, was im Nachhinein die Genehmigung als rechtswidrig ausschließen könnte (
z.B. Erwirken der Genehmigung durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder Beruhen des Verwaltungsakts auf vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtigen Angaben) noch hat sich die fingierte Genehmigung - für die Versicherte erkennbar - auf andere Weise erledigt (
z.B. durch Heilung der ursprünglich behandlungsbedürftigen Krankheit;
vgl. dazu:
BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R, Rn. 31). Nach der o.g. Rechtsprechung durfte die Beklagte auch nicht auf die materiell-rechtliche Situation abstellen, die sie im Fall der Klägerin als nicht erfüllt ansieht. Da die Genehmigungsfiktion der rechtlichen Grundlage des § 13
Abs. 3a
SGB V entspricht, kommt es für die Rechtmäßigkeit der Fiktion nicht darauf an, wie der geltend gemachte Anspruch materiell-rechtlich zu beurteilen ist. Wäre - wie die Beklagte meint - die (fiktive) Genehmigung als rechtswidrig zu qualifizieren, wenn die jeweiligen materiellen Sachleistungsvoraussetzungen nicht vorliegen, käme der Norm des § 13
Abs. 3a
SGB V keinerlei Regelungsgehalt zu. Könnte die Genehmigungsfiktion durch eine - außerhalb der Frist erfolgende - nachträgliche Prüfung der einzelnen Leistungsvoraussetzungen wieder zurückgenommen werden, würde das Ziel des Gesetzgebers, generalpräventiv die Zügigkeit des Verwaltungsverfahren zu verbessern, ins Leere laufen. Die Möglichkeit der Rücknahme einer (fiktiven) Genehmigung nach § 45
SGB X würde im Übrigen die Versicherten, die nach Ablauf der Frist nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, entgegen des Gleichbehandlungsgebotes nach Artikel 3
Abs. 1 des Grundgesetzes (
GG) praktisch aus dem Schutzbereich des § 13
Abs. 3a
SGB V ausschließen (
LSG NRW, Beschluss vom 23.05.2014 -
L 5 KR 222/14 B ER; SG Aachen, Urteil vom 27.04.2017 - S 15 KR 359/15).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.