Jugdment
Beschwerde - Revisionszulassungsantrag - Kosten für eine WalkAide-Myo-Orthese und eine Finger-Hand-Arm-Orthese - Substantiierung einer Grundsatzrüge - Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung

Court:

BSG 3. Senat


File Number:

B 3 KR 39/15 B


Judgment of:

30 Jul 2015


Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. April 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine WalkAide-Myo-Orthese und eine Finger-Hand-Arm-Orthese. Die im Jahr 1967 geborene Klägerin leidet an einer zentralneurologischen Schädigung als Folge eines Hirnschlags. Ihr Antrag auf Kostenübernahme für eine WalkAide-Myo-Orthese und eine dynamische Finger-Hand-Arm-Orthese blieb nach hausärztlicher Verordnung und Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) erfolglos, weil eine medizinische Notwendigkeit für die Orthesen nicht vorliege (Bescheid vom 4.5.2010, Widerspruchsbescheid vom 18.8.2010). Das SG Darmstadt hat die Klage nach weiteren Sachverhaltsermittlungen und erneuter Beteiligung des MDK abgewiesen (Urteil SG Darmstadt vom 3.7.2013). Es hat ausgeführt, dass die Orthesen nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet seien. Es handele sich vielmehr um neue Produkte, für die ein - durch wissenschaftliche Studien geführter - allgemeiner Nachweis des Nutzens und der Wirksamkeit fehle. Die Versorgung sei auch nicht erforderlich, weil eine Verbesserung gegenüber der aktuell verwendeten Fußheberschiene (ToeOFF-Orthese) bei der im September 2012 konkret erfolgten Vergleichsuntersuchung nicht habe festgestellt werden können. Gleiches gelte für die Finger-Hand-Arm-Orthese. Auch hier fehle es an einem allgemeinen Wirksamkeitsnachweis. Überdies sei unklar, ob die Orthese geeignet sei, einen messbaren Behinderungsausgleich zu bewirken. Hierfür sei die von der Beklagten angebotene Lagerungsorthese notwendig, aber auch ausreichend. Das LSG hat die Berufung der Klägerin nach Einholung des Gutachtens des Dr. D. (nach § 109 SGG) zurückgewiesen. Es hat auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG) und ausgeführt, dass auch die Beweiserhebung im Berufungsverfahren den wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit der begehrten Hilfsmittel nicht erbracht habe.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde eingelegt.

Sie beruft sich ausschließlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

Legal Recourse:

SG Darmstadt, Urteil vom 03.07.2013 - S 10 KR 180/12
LSG Hessen, Urteil vom 14.04.2015 - L 1 KR 277/13

Source:

Sozialgerichtsbarkeit BRD
Jlaw - Matthias Prinz

II.

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 11.5.2015 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, denn sie hat den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 1 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Die Klägerin trägt vor, die Anerkennung der begehrten Hilfsmittel habe grundsätzliche Bedeutung. Es handele sich um "eine neue Generation von Hilfsmitteln zur funktionellen Elektrostimulation".

Die Entscheidung des LSG beruhe auf der Feststellung, dass ein Nachweis der prinzipiellen Wirksamkeit solcher Elektro-stimulierender Hilfsmittel nicht erbracht sei. Bislang seien die Grundsätze zur Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit solcher Hilfsmittel nicht ausreichend geklärt. Daher sei die Rechtsfrage klärungsbedürftig Dieser Beschwerdevortrag wird den aufgezeigten Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin - allenfalls sinngemäß - eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung und zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) oder lediglich eine Tatsachenfrage gestellt hat. Der Beschwerdebegründung ist jedenfalls keine Rechtsnorm zu entnehmen, die die Klägerin im angestrebten Revisionsverfahren zur Überprüfung stellen will.

Doch selbst wenn die Klägerin eine abstrakte Rechtsfrage gestellt hätte, fehlte es an hinreichender Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage. Insofern hätte sich die Klägerin mit bereits vorhandener Rechtsprechung des BSG zum Problemkreis des wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweises von Hilfsmitteln (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 (Encasings) und Nr 8 (sog C-leg) mwN; vgl auch BSGE 87, 105 = SozR 4-2500 § 139 Nr 1; BSGE 97, 133 = SozR 4-2500 § 139 Nr 2) auseinandersetzen und in substanziierter Weise aufzeigen müssen, dass die von ihr aufgeworfene Frage mit Hilfe vorhandener Rechtsprechung nicht zu lösen sei, bzw aus welchem Grund erneuter Klärungsbedarf entstanden sei (vgl dazu Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 183 mwN). Keine der Entscheidungen des Senats zur Hilfsmittelversorgung nach § 33 Abs 1 SGB V wird in der Beschwerdebegründung auch nur erwähnt. Die für die Hilfsmittelversorgung wichtige Frage, ob es um die Sicherung des Behandlungserfolgs oder den Ausgleich einer Behinderung geht, spricht die Klägerin nicht an. Ohne auf diese zentrale Weichenstellung einzugehen, kann nicht aufgezeigt werden, inwieweit die in der bisherigen Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäbe unzureichend sind und/oder fortzuentwickeln wären. Hierzu findet sich in der Beschwerdebegründung kein mit Substanz versehener Vortrag. Es ist jedenfalls nicht ausreichend lediglich zu behaupten, dass eine nicht einmal präzise formulierte Frage höchstrichterlich noch nicht entschieden sei.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Reference Number:

R/R7184


Last Update: 28 Feb 2017