Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. November 2008 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben sich keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Zwischen den Beteiligten ist die Versorgung mit einem elektrischen Türöffnungssystem für ein Arbeitszimmer einschließlich des Einbaus einer Schiebetür streitig.
Die am ... 1946 geborene Klägerin leidet an einer fortschreitenden Muskel- sowie Wirbelsäulenerkrankung und ist seit dem Jahr 1986 an den Rollstuhl gebunden. Ihre Wohnung wurde im Jahr 2002 mit einem sprachlichen Umfeldkontrollsystem zur Bedienung elektrischer Geräte sowie der Außen- und Balkontür und eines Fensters im Schlafzimmer ausgestattet. Die Klägerin ist schwerstpflegebedürftig (Pflegestufe III seit November 1996) und auch schwerstbehindert. So stellte das Landesverwaltungsamt bei ihr am 19. April 1994 einen Grad der Behinderung von 100 sowie zahlreiche Merkzeichen fest.
Am 6. September 2004 beantragte Klägerin bei der Beklagten einen elektrischen Türöffner zur Komplettierung ihres sprachlichen Umfeldsystems und führte zur Begründung aus: Als Arbeitgeberin von Pflegekräften bewahre sie die Geschäftsunterlagen in ihrem Arbeitszimmer auf. Dies mache es erforderlich, das Arbeitszimmer selbstständig abschließen zu können. Mit Bescheid vom 15. September 2004 lehnte die Beklagte das beantragte Pflegemittel ab, da ein Türöffner kein Pflegehilfsmittel sei. In dem am 28. Juni 2005 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie wende sich u.a. gegen die Ablehnung des Türöffners. Seit 2002 nehme sie am sog. Assistenzmodell teil. Dies habe zur Folge, dass sie ihr eigenes Pflegepersonal einstellen und wie ein Arbeitgeber in eigener Sache auftreten müsse. Vom Beigeladenen zu 1. erhalte sie nur für 14 Stunden täglich Pflegekräfte und sei während der übrigen zehn Stunden auf sich allein gestellt. Es sei notwendig, die datenschutzrelevanten Arbeitgeberunterlagen unter Verschluss zu halten, was nur mittels des beantragten Türöffners erreicht werden könne.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens. Der MDK-Gutachter Privatdozent
Dr. S. führte in seinem Gutachten vom 21. Dezember 2004 aus: Die Klägerin leide an einer progressiven Muskeldystrophie. Dies führe zum Ausschluss der Gehfähigkeit und einer völligen Rollstuhlabhängigkeit. Bezogen auf den Türöffner fehle es bereits an einer ärztlichen Verordnung. Auf Nachfrage der Beklagten an die Klägerin, ob sie den Widerspruch aufrechterhalten wolle, legte sie eine ärztliche Verordnung für den elektrischen Türöffner von der Fachärztin für Allgemeinmedizin M. vor und führte im Übrigen aus: Sie sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, die Türen ihrer Wohnung zu öffnen. Deshalb habe sie, mit Ausnahme des Arbeitszimmers, alle Innentüren ausbauen lassen. Allein das Arbeitszimmer verfüge noch über eine Schiebetür, die sie jedoch allein nicht öffnen könne. Gerade im Winter halte sie sich tagsüber ständig im Arbeitszimmer auf, da es wegen der Schiebetür am Besten zu beheizen sei. Nur geeigneten Assistenten erlaube sie es, Arbeiten im Arbeitszimmer vorzunehmen. Der beantragte Türöffner würde ihr einen wichtigen Rest an Selbstständigkeit wiedergeben, da sie die Kontrolle über den wichtigsten Lebensraum ihrer Wohnung zurückerhalten würde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der beantragte elektrische Türöffner erleichtere weder die Pflege noch führe er zu einer selbstständigeren Lebensführung. Die von der Klägerin vorgetragene Aufgabenerfüllung als Arbeitgeber könne nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen. Ggf. habe sich die Klägerin an andere Kostenträger zu wenden. Die medizinische Notwendigkeit des Öffnens von Türen, sei bereits bei der Prüfung des Leistungsumfangs für das Umfeldkontrollsystems vom MDK zu Recht verneint worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 5. Dezember 2005 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben und ergänzend ausgeführt: Ihr Anspruch ergebe sich aus § 40
Abs. 1 und
Abs. 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (
SGB XI). Die Ausstattung mit einem ärztlich verordneten Türöffner sei geeignet, ihre Pflege zu erleichtern und ihr eine selbstständige Lebensführung zu ermöglichen. Dem Arbeitszimmer komme dabei eine zentrale Bedeutung als Aufenthalts- und Wohnraum zu. Wenn sie das beantragte Hilfsmittel erhalte, bräuchten die Pflegekräfte nicht für das Öffnen und Schließen der Tür zum Arbeitszimmer eingesetzt werden. Ohne das Hilfsmittel stünden ihr keinerlei Rückzugsmöglichkeiten zur Verfügung, um allein und ungestört zu sein. Der elektrische Türöffner habe für sie daher eine grundrechtliche Bedeutung, um ihr den letzten Rest eines selbstständigen und autonomen Lebens zu sichern. Dabei sei der Kostenaufwand verhältnismäßig gering. Auch zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes gemäß § 40
Abs. 4
SGB XI sei der elektrische Türöffner notwendig. Zwar sei er nicht im Katalog möglicher wohnumfeldverbessernder Maßnahmen genannt. Der Umbau einer Tür oder eines veränderten Türantriebes sei mit dem begehrten Türöffner jedoch durchaus vergleichbar. Es verwundere zudem, wenn die Beklagte im Jahr 2002 erhebliche Kosten für den Bau diverser Türöffner im Rahmen der Installation eines Umfeldkontrollsystems bezahlt habe, jetzt aber für den notwendigen Türöffner nicht aufkommen wolle.
Die Beklagte hat dagegen geltend gemacht, es sei nicht nachvollziehbar, warum die Pflegeversicherung für die Sicherung von Arbeitgeberunterlagen aufkommen solle. Die Möglichkeit des selbstständigen Öffnens und Schließens der Tür stelle keine wesentliche Erleichterung für die Pflegekräfte dar. Zudem könne davon ausgegangen werden, dass die Pflegekräfte dem Wunsch der Klägerin, die Schiebetür zu öffnen oder zu schließen, nachkommen würden.
In der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2008 hat die Klägerin ein Angebot zur Installation eines elektronischen Türöffners vorgelegt und erklärt: Das Umfeldkontrollsystem in ihrer Drei-Raum-Wohnung ermögliche es ihr, alle elektronischen Geräte über eine Sprachsteuerung zu bedienen. Über diese Steuerung könne ein Fenster im Schlafzimmer und die Balkon- und Eingangstür von ihr geöffnet und geschlossen werden. Auf diese Weise werde auch das Telefon bedient. Im Arbeitszimmer halte sie sich am häufigsten auf, da es am besten zu beheizen sei. Der Elektroöffner für das Arbeitszimmer würde es ihr über die Sprachsteuerung erlauben, eigenständig das Zimmer vor Dritten zu verschließen.
Nach einem vorgelegten Angebot der I. Gmbh vom 29. November 2005 betrage der Preis für den motorgetriebenen Schlittenantrieb 2.650,00
EUR und für die Lieferung, Installierung und Anbindung an die Sprachsteuerung 720,00
EUR netto. In einem weiteren Angebot der Tischlerei
S. seien für ein Holzschiebetürblatt samt Montage insgesamt 459,24
EUR zu zahlen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 15. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie mit einem elektronischen Türöffner für die Arbeitszimmertür als Pflegehilfsmittel zu versorgen sowie hilfsweise ein Bescheidungsurteil zu erlassen.
Das SG hat mit Urteil vom selben Tage die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2005 verpflichtet, den Antrag auf Gewährung eines finanziellen Zuschusses für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes in Form eines elektronischen Türöffners für die Arbeitszimmertür neu zu bescheiden und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Hauptantrag auf Versorgung mit einem Pflegehilfsmittel nach § 40
Abs. 1
SGB XI sei abzuweisen, da der elektronische Türöffner für das Arbeitszimmer kein Hilfsmittel sei. Bei der beantragten Leistung handele es sich wegen der festen Verbindung mit der Wohnung nicht um ein Pflegehilfsmittel. Demgegenüber stehe der Klägerin ein Anspruch auf Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes gemäß § 40
Abs. 4
SGB XI zu. Die Beklagte hätte den Antrag der Klägerin weit auslegen müssen. Der elektronische Türöffner diene dazu, der Klägerin eine möglichst selbstständige Lebensführung zu ermöglichen. Mit Hilfe des Einbaues des beantragten Türöffners könne die Klägerin den am besten beheizten Raum ohne Hilfe Dritter eigenständig öffnen und verschließen. Dies bedeute eine stärkere Unabhängigkeit von den Pflegekräften und führe zu einer Befriedigung elementarster Bedürfnisse, indem das Führen eines selbstständigen Lebens ermöglicht werde. Die Gewährung des Zuschusses stehe im Ermessen der Beklagten. Da keine Ermessensreduzierung auf Null bestanden habe, komme nur ein Bescheidungsurteil in Betracht. Demgegenüber komme ein Leistungsanspruch gegen andere Leistungsträger nicht in Betracht. Aufgrund der festen Verbindung zur Wohnung bestehe kein Hilfsmittelanspruch gemäß
§ 33 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V).
Die Beklagte hat gegen das am 28. November 2008 zugestellte Urteil am 23. Dezember 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und am 22. Juli 2009 zur Begründung vorgetragen: Die Beklagte habe das Sozialamt bisher erfolglos um Amtshilfe gebeten. Es sei entscheidungserheblich, ob der Klägerin regelmäßig Pflegekräfte zur Verfügung gestellt würden oder nicht. Für die Klägerin habe die Krankenkasse und Beigeladene zu 2. im Jahr 2002 bereits Kosten im Umfang von 25.248,15
EUR für das sprachgesteuerte Umfeldkontrollsystem übernommen. Auch habe die Beklagte für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen bereits insgesamt 4.172,50
EUR getragen. Diese Maßnahmen seien im Jahr 1999 mit Kosten in Höhe von 2.556,46
EUR und im Jahr 2004 mit solchen in Höhe von 1.616,04
EUR erfolgt. Eine erneute Kostentragung für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen sei nur möglich, wenn sich die Pflegesituation der Klägerin wesentlich ändere und wegen dieser gesundheitlichen Änderung weitere Maßnahmen erforderlich würden. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Nach einem beigefügten MDK-Gutachten vom 10. Februar 1997 sei die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt rollstuhlpflichtig gewesen. In dem Gutachten führte die MDK-Gutachterin M. aus: Es bestehe bei der Klägerin eine weitgehende Bewegungsunfähigkeit bei noch ausreichender Sitzstabilität. Auch die Funktionsfähigkeit der Arme, die sie nicht heben könne, sei bis auf eine Restfunktion eingeschränkt. Die Greif- und Haltefunktion sei erheblich eingeschränkt. Verfahrensrechtlich habe das Sozialgericht auf diese tragende Anspruchsgrundlage nicht frühzeitig hingewiesen und damit eine rechtswidrige Überraschungsentscheidung getroffen.
Der Senat hat den Landkreis
S., vertreten durch den Landrat, dieser vertreten durch das Sozialamt zum Rechtsstreit beigeladen (Beschluss vom 4. Oktober 2012). Dieser hat erklärt, er halte den überörtlichen Sozialhilfeträger, von dem die Klägerin bereits Leistungen beziehe, für vorrangig zuständig. Daraufhin hat der Senat die Beiladung abgeändert und das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Sozialagentur beigeladen (Beschluss vom 6. November 2012). Mit Beschluss vom 14. November 2013 hat der Berichterstatter die Beigeladene zu 2. ebenfalls als gesetzliche Krankenversicherung der Klägerin zum Verfahren beigeladen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. November 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, sie mit einem elektronischen Türöffner einschließlich Schiebetür für das Arbeitszimmer zu versorgen, hilfsweise die Beigeladene zu 2., weiter hilfsweise die Beigeladene zu 1. entsprechend zu verurteilen.
Die Klägerin macht geltend: Ihre Pflegesituation habe sich verändert, da sich nachträglich der Bedarf auf eine selbstständige Rückzugsmöglichkeit für das Arbeitszimmer ergeben habe. Auch sei bei ihr seit dem Jahr 2010 die Pflegestufe III als Härtefall anerkannt worden, wodurch weitere Verschlechterungen der Pflegesituation hinreichend belegt werden.
Dem ist die Beklagte entgegen getreten und hat geltend gemacht: Die Klägerin beziehe bereits seit November 1996 Leistungen nach der Pflegestufe III. Im Jahr 1997 habe sie bereits die Arme nicht mehr heben können und sei weitestgehend bewegungsunfähig gewesen. Seit dieser Zeit habe sie auch ihre bisherige Wohnung bewohnt. Die Klägerin habe daher den maximalen Zuschuss nach § 40
Abs. 4
SGB XI voll ausgeschöpft.
Der Beigeladene zu. 1 beantragt,
den gegen ihn gestellten Hilfsantrag zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Hilfsantrag zurückzuweisen.
Der Senat hat einen Befundbericht von
Dipl.-Med. M. vom 21. April 2010 eingeholt, wonach sich der Pflegeumfang infolge der Muskelerkrankung weiter erhöht habe. Die Klägerin benötige aus Gründen der Sicherheit und der Beheizbarkeit einen elektrischen Türöffner für das Arbeitszimmer.
Der Senat hat die Verfahrensakten der Klägerin zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (
SGB XII) beigezogen und aus dem Schwerbehindertenverfahren von dem Amt für Versorgung eine Beiakte erstellt. In dem Schwerbehindertenverfahren des Landesverwaltungsamtes befindet sich ein Arztbrief über einen stationären Aufenthalt der Klägerin von April bis Mai 1992. Hiernach sei die Klägerin seit sechs Jahren an den Rollstuhl gebunden. Sie könne lediglich die Unterarme und die Finger noch etwas bewegen.
Die Sozialhilfeakte enthält ein MDK Gutachten vom 4. Februar 2000. Darin führte
Dr. M. u.a. aus: Bei der Klägerin bestehe keine Geh- und Stehfähigkeit mehr. Sie könne leichte Gegenstände nehmen und halten. Sie esse unter Vorbeugen des Kopfes, sofern der Oberkörper stabilisiert sei. Der Klägerin sei nur noch eine geringe aktive Mithilfe möglich. Seit dem November 1996 bestehe die Pflegestufe III. Sie benötige bei den Verrichtungen des täglichen Lebens rund um die Uhr Hilfe. In einem amtsärztlichen Gutachten vom 19. März 2001 teilte Amtsärztin
Dipl.-Med. M. den Pflegebedarf mit und gab u.a. an, der Klägerin sei das Essen mundgerecht darzubieten. Bei Suppen müsse sie gefüttert werden. Mit Bescheid vom 27. April 2001 hielt der Landkreis M.-Q. einen Pflegebedarf von 14 Stunden für angemessen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und begehrte eine 24-Stunden-Betreuung. Der gewährte Pflegebedarf von eine Stunde in der Nacht sei nicht ausreichend. Die Klägerin fügte ein ärztliches Attest von
Dipl.-Med. M. vom 21. Mai 2001 bei. Hiernach habe sich der Betreuungsaufwand erhöht, so dass eine 24-Stunden-Pflege erforderlich geworden sei. Amtsärztin
Dipl.- Med. M. teilte in einem Gutachten vom 16. Juli 2001 mit, die Situation sei seit dem letzten Gutachten vom 19. März 2001 unverändert. Die beschriebenen vegetativen Symptome (nächtliches Schwitzen und Schmerzen) seien krankheitstypisch. Die Klägerin sei hilflos und könne ihre Körperlage nicht selbst verändern, weshalb für sie eine ständige Tag- und Nachtbetreuung unter stationären Bedingungen optimal wäre. Dies lehne die Klägerin jedoch ab, da sie in ihrer Wohnung verbleiben wolle. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2001 wies der Landkreis den Widerspruch zurück. Hiergegen hatte die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Halle (4 A 665/01) erhoben. Mit Beschluss vom 19. August 2003 hatte das Verwaltungsgericht Halle die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt und führte zu Begründung aus: Die Notwendigkeit einer ununterbrochenen Anwesenheit von Pflegekräften sei nicht belegt. Eine 24-stündige ambulante Betreuung der Klägerin würde Kosten in Höhe von knapp 8.000
EUR monatlich verursachen, während ein Heimplatz im Altenpflegeheim M.-Q. Kosten von unter 1.000
EUR monatlich verursachen würde. Die Unzumutbarkeit der Mehrkosten einer 24-stündigen Betreuung für den Sozialhilfeträger sei daher offensichtlich. Da sich das Altenheim nur
ca. 300 Meter von der Wohnung der Klägerin befinde, wäre der Wechsel für sie auch nicht mit erheblichen Veränderungen der sozialen Kontakte verbunden.
Auf gerichtliche Nachfrage hat die Klägerin weitere Kostenvoranschläge der
Fa. T. Möbeltischlerei, Tischlerei P. OHG und Tischlerei L. zur Gerichtsakte gereicht. Nach dem Angebot der
Fa. T. vom 3. Juli 2009 betrage der Kostenaufwand für eine Glasschiebetür samt elektrischen Antriebs 5.055,31
EUR. Die Tischlerei P. OHG bezifferte die Kosten für eine Schiebetür unter dem 14. August 2009 auf 1.376,83
EUR und die Tischlerei L. am 26. Juli 2009 für eine Schiebetür samt Funkempfänger sowie Programmschalter und Zubehör auf 4.834,87
EUR.
In einer nichtöffentlichen Sitzung vom 25. Mai 2011 hat die Klägerin erklärt, sie habe nun die Pflegestufe III als Härtefall bekommen. Im Dezember 2010 habe sie einen schweren Pflegeunfall mit Frakturen erlitten, was zu einer weiteren Verschlechterung ihrer gesundheitliche Situation geführt habe. Der Berichterstatter hat in dem Termin auf die Urteile des Bundessozialgerichts zur mobilen Treppensteighilfe (
B 3 KR 13/09 R) vom 7. Oktober 2010 und zur Deckenliftanlage (
B 3 P 6/07 R) vom 12. Juni 2008 hingewiesen und die Beteiligten zu ergänzenden Stellungnahmen zu weiteren Fragen aufgefordert.
Die Klägerin hat eine weitere Erklärung der I.
GmbH vorgelegt. Danach sei der Einbau des Umfeldkontrollsystems in der Vergangenheit von der nicht mehr existierenden
Fa. C.
GmbH durchgeführt worden. Das Umfeldkontrollsystem bestehe aus wiederverwendbaren Komponenten (Sprachsteuerung, IR-Empfänger, Steuertelefone) und nicht wieder verwendbaren Komponenten (Lichtschalter, Türmotoren, Gegensprechanlagen). Ein Rückbau in den ursprünglichen Zustand sei unwirtschaftlich, da die Kosten für den Aus- und Einbau hierfür zu hoch wären. Aus Gewährleistungsgründen sei es ausgeschlossen, das noch vorhandene alte Türblatt wiederzuverwenden, da es nicht hinreichend beweglich sei. Beim Einbau der alten Tür bestehe die Gefahr, dass es zu technischen Störungen beim Auf- und Zumachen komme.
Die Beklagte hat hierzu ergänzend vorgetragen: Es sei davon auszugehen, dass der Ausbau der Komponenten die Kosten einer Neuanschaffung übersteige. Da die Komponenten mit der Wohnung fest verbunden seien und nicht problemlos entfernt werden könnten, sei auch nicht davon auszugehen, dass es sich um ein Hilfsmittel handelt. Die Klägerin habe von der Beklagten zahlreiche Zuschüsse erhalten. Zur Verbesserung des Wohnumfeldes habe sie im Jahr 1999 einen Betrag von 5.000 DM und im Jahr 2004 weitere 1.616,04
EUR erhalten. Die letztgenannte Bewilligung hätte nicht erfolgen dürfen, da die Klägerin den Höchstanspruch bereits voll ausgeschöpft gehabt habe.
Der Berichterstatter hat die Klägerin am 8. März 2012 aufgefordert, den tatsächlich notwendigen Arbeitsaufwand sowie die damit verbundenen Arbeitsvorgänge näher dazulegen, damit festgestellt werden könne, ob die beantragte und dann eingebaute Anlage ohne wesentlichen Aufwand in einer anderen Wohnung wieder verwendbar sei. Hierzu hat die Klägerin ergänzend ausgeführt: Die elektrischen Steuerteile seien ausbaufähig und in einer neuen Wohnung wieder verwendbar; beim Türmotor komme es auf das Alter des Geräts an. Die Türen sowie die Öffnungsanlage müsse man sich so vorstellen, dass das Türblatt auf dem Boden auf Laufschienen verbunden sei. Hierfür müsse jedoch nicht das Mauerwerk aufgebrochen werden. Der begehrte Türöffner werde als Hilfsmittel angesehen und lediglich hilfsweise die Leistung als Maßnahme zur Wohnumfeldverbesserung verlangt. Bezüglich des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs auf wohnumfeldverbessernde Maßnahmen sei darauf hinzuweisen, dass sich der Pflegebedarf seit der letzten Bewilligung im Jahr 2004 verändert habe. Insbesondere sei der Klägerin zuvor der Wärmeverlust durch die fehlenden Türen nicht bewusst gewesen.
Der Beigeladene zu 1. hat geltend gemacht: Ein Anspruch auf Eingliederungshilfe sei nicht erkennbar. Mit dem Einbau der Schiebetür samt elektrischem Türöffner könne das Ziel einer Eingliederungshilfe nicht erreicht werden. Die beantragte Maßnahme diene nach dem Sachvortag der Klägerin nicht dazu, ihre Eingliederung in die Gesellschaft zu verbessern. Das Ziel der Eingliederungshilfe, die Klägerin möglichst unabhängig von der Pflege Dritter zu machen, sei durch das praktizierte Assistenzmodell bereits erreicht. Dieses Modell diene dazu, behinderte Menschen trotz persönlicher Einschränkungen von Organisationen und den damit verbundenen Zwängen möglichst unabhängig leben zu lassen. Ohne dieses Modell könne die Klägerin ihre Wohnung nicht mehr bewohnen. Sie erhalte damit bereits eine sehr weitgehende und auch kostenträchtige Hilfe. Ein absolut selbstbestimmtes und unabhängiges Leben sei der Klägerin jedoch wegen ihrer schweren Behinderung unmöglich. Die Voraussetzungen einer Eingliederungshilfe gemäß
§§ 53,
54 SGB XII seien daher nicht gegeben. Auch sei die Argumentation der Klägerin nicht überzeugend, es müsse ihr aus datenschutzrechtlichen Gründen ermöglicht werden, das Arbeitszimmer selbst zu verschließen. Schließlich könne die Ablage dieser Unterlagen auch in einem abschließbaren Schrank erfolgen. Als Arbeitgeberin sei sie gegenüber ihren Assistenten weisungsberechtigt und könne die Alltagsgestaltung nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen bestimmen. Auch sei es ihr jederzeit möglich, sich zurückzuziehen, da sie die jeweilige Assistenz anweisen könne, sie für eine bestimmte Zeit allein zu lassen. Jedenfalls scheitere ein Anspruch jedenfalls an § 9
SGB XII. Hiernach müsse dem Anspruchsteller nur ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährt werden. Der von der Klägerin geltend gemachte Bedarf sei für eine menschenwürdige Existenz aber nicht notwendig, da der Wunsch, eine bestimmte Zimmertür selbstständig kontrollieren zu können, diesen Bereich überhaupt nicht berühre. Auch die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit gemäß § 9
Abs. 2
SGB XII sei nicht gegeben. Eine über das Assistenzmodell hinausgehende Hilfe sei unverhältnismäßig und unwirtschaftlich. Andere Ansprüche aus § 67
SGB XII,
§§ 61 Abs. 1, 2
SGB XII sowie § 73
SGB XII seien ebenfalls ausgeschlossen. Die Klägerin befinde sich nicht in einer besonderen Lebenssituation im Sinne des § 67
SGB XII. Der Anspruch nach §§ 61
Abs. 1, 2
SGB XII orientiere sich an den Leistungen des
SGB XI. Eine Hilfe in sonstigen Lebenssituationen nach § 73
SGB XII sei ausgeschlossen, da die Klägerin bereits aus anderen Sozialgesetzen umfassende Ansprüche habe.
Die Klägerin hat dem widersprochen und ergänzend geltend gemacht: Der Teilhabebegriff im Sinne des § 53
Abs. 4
SGB XII sei weiter gefasst und auf ihren Bedarf zu übertragen. Ihr stünden nicht durchgehend Assistenzkräfte zur Verfügung. In assistenzlosen Zeiten sei sie daher auf technische Hilfen angewiesen. Hierzu gehöre die Möglichkeit, die Türe zum Arbeitszimmer schließen zu können. Zudem habe sie Probleme, geeignetes Personal für die Assistenz zu bekommen. Eine separate, von der ihr abschließbare Arbeitszimmertür ermögliche es ihr, dieses Zimmer stärker zu heizen und dadurch Energiekosten zu sparen. Zudem könnte sich ein Anspruch aus § 54
Abs. 1
SGB XII in Verbindung mit
§ 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX ergeben. Der elektrische Türöffner sowie die Schiebetür seien getrennt zu bewerten. Ihr Anspruch könne sich aus § 61
Abs. 1, 2
SGB XII bzw. § 67
SGB XII ergeben. Nachrangig seien auch Ansprüche aus § 73
SGB XII möglich.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Die nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Versorgung mit einem elektrischen Türöffner sowie einer Schiebetür für ihr Arbeitszimmer zu.
Ein Anspruch nach § 40
Abs. 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (
SGB XI) scheidet aus. Zunächst ist das Antragsbegehren der Klägerin auf einen elektrischen Türöffner erweiternd auszulegen, da der elektrische Türöffner ohne eine zusätzliche Schiebetür nicht funktionsfähig wäre. Nach den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ist die derzeit vorhandene Tür im Arbeitszimmer technisch ungeeignet, um den elektrischen Türöffner daran zu befestigen und beide Teile an das bereits vorhandene sprachgesteuerte Umfeldsystem anzuschließen. Der Senat folgt insoweit der Bewertung der
Fa. I.
GmbH. Diese hat nachvollziehbar erläutert, dass das alte Türblatt nicht hinreichend beweglich ist, um störungsfrei funktionieren zu können.
Der elektrische Türöffner und eine daran angepasste Schiebetür auf Schienen sind, entgegen der Ansicht der Klägerin, als eine untrennbare Einheit zu bewerten. Für sich allein hätte der Türöffner keinerlei Funktion, da der Einbau an das vorhandene Türblatt wegen offenkundig drohender Störungsanfälligkeit technisch sinnlos wäre. Nur beide Elemente zusammen (elektrischer Türöffner sowie neue Schiebetür) können daher die eigentlich gewollte Funktion, die Arbeitszimmertür in das sprachgesteuerte Umfeldsystem zu integrieren, sicherstellen.
Nach Ansicht des Senats handelt es sich bei dem Einbau des Türöffners und der damit untrennbar verbundenen neuen Schiebetür um eine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes gemäß § 40
Abs. 4
SGB XI. Hiernach können die Pflegekassen subsidiär verpflichtet sein, finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen zu gewähren, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wieder hergestellt wird. Finanziell sind diese Zuschüsse auf einen Betrag in Höhe von 2.557,00
EUR begrenzt.
Das
BSG hat in seinem Urteil vom 12. Juni 2008 (
B 3 P 6/07 - Deckenlifterentscheidung, juris) die Grenzziehung zwischen Anpassung der Wohnsituation und der Hilfsmittelversorgung danach vorgenommen, ob mit Blick auf den Maßnahmezweck und der Dauerhaftigkeit des Einbaus von einer Wohnumfeldverbesserung auszugehen ist. Hiernach ist bei Maßnahmen, die auf eine individuelle Anpassung an die konkrete Wohnumgebung gerichtet sind (
z.B. Treppenlifter; Aufzüge; Fenster in rollstuhlgerechter Höhe) von einer Wohnumfeldverbesserung auszugehen. Bei Hilfen, die auf eine individuelle Wohnsituation zugeschnitten sind, ist hierbei stets davon auszugehen, auch wenn deren Entfernung nicht zu einem wesentlichen Substanzverlust in der Wohnung führen würde (
BSG a.a.O.).
Der beantragte Türöffner samt angepasster Schiebetür ist nach diesen Kriterien daher als wohnumfeldverbessernde Maßnahme anzusehen. Beide untrennbar miteinander verbundene Teile, die nur zusammen die eigentliche Funktion erfüllen können, weisen bei wertender Betrachtung ähnlich wie bei einer Klingelanlage eine Dauerhaftigkeit der Befestigung auf unabsehbare Zeit auf, so dass nach der Verkehrsauffassung nicht davon ausgegangen werden kann, diese Teile bei einem Umzug problemlos in eine andere Wohnung mitzunehmen. Hierfür spricht auch die Angabe der
Fa. I. GmBH, dass allenfalls die Sprachsteuerung, IR-Empfänger, Steuertelefone für eine andere Wohnung im Falle eines Umzuges noch verwendbar sein könnten, während Lichtschalter, Türmotoren, Gegensprechanlagen schon aus wirtschaftlichen Gründen im Falle eines Umzugs in der alten Wohnung verbleiben müssten.
Bei der Abgrenzung von einer wohnumfeldverbessernden Maßnahme und einem Hilfsmittel kommt es nach der Auffassung des
BSG in der Treppensteighilfeentscheidung (Urteil vom 7. Oktober 2010,
B 3 KR 13/09, juris) entscheidend darauf an, ob ein anderer Versicherter mit den gleichen körperlichen Behinderungen auf das fragliche Hilfsmittel in dessen Wohn- und Lebenssituation ebenfalls angewiesen wäre. Hieran fehlt es im konkreten Fall, da die Raumgestaltung eines Arbeitszimmers einschließlich der jeweiligen Türöffnungsbreite höchst unterschiedlich sein kann. Mag praktisch jede Wohnung über eine Decke verfügen (
vgl. Deckenlifterentscheidung des
BSG, Urteil vom 12. Juni 2008, B 3 P 6/07 R, juris), so gilt dies nicht für den sehr individuellen Raumschnitt von Wohnungen. Auch dies spricht für eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme.
Mit dieser Einordnung scheidet ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 40
Abs. 4
SGB XI aus, da sie bereits im Jahr 1999 einen Zuschuss in voller Höhe erhalten hatte. Die Klägerin ist seit 1996 schwerstpflegebedürftig und erhält Leistungen nach der Pflegestufe III. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie weder gehen noch den Arm heben (
vgl. MDK-Gutachten vom 10. Februar 1997). Seit 1999 ist die Klägeirn nicht mehr in der Lage, Türen selbstständig zu öffnen. Sie ist seitdem praktisch vollständig auf fremde Hilfe angewiesen. Zwar hat sich die Erkrankung in der Folgezeit weiter verschlechtert (
vgl. Befundbericht der behandelnden Ärztin im gerichtlichen Verfahren). Dies ändert aber nichts an der Feststellung, dass sie auch im Jahr 1999 vollständig von der Hilfe Dritter abhängig war und keinerlei eigenständige Handlungen mehr vornehmen konnte (
vgl. auch MDK Gutachten von
Dr. M. vom 4. Februar 2000). Dieser Zustand wird auch durch die Amtsärztin
Dipl.-Med. M. in ihren beiden Stellungnahmen aus dem Jahr 2001 bestätigt. Angesichts dieses schweren Krankheitsbildes, das mit fast völliger Bewegungsunfähigkeit und Hilflosigkeit verbunden war, konnte sich der gesundheitliche Zustand der Klägerin zum Antragszeitpunkt am 6. September 2004 nicht mehr so erheblich verschlechtert haben, dass von einer wesentlichen Änderung der Pflegesituation ausgegangen werden kann. Hieran ändert auch die Erhöhung der Pflegestufe III als Härtefall nichts mehr. Die damit verbundene Erhöhung des Pflegebedarfs steht zu einem veränderten Pflegebedarf mit Blick auf das selbstständige Öffnen des Arbeitszimmers in keinerlei Zusammenhang. Die Klägerin konnte bereits beim Einbau des sprachgesteuerten Umfeldsystems in ihre Wohnung im Jahr 2002 keine Türen mehr öffnen. Geändert haben sich bei der Klägerin allerdings die persönlichen Motive. Nach Einbau des Umfeldsteuerungssystems durch die Beigeladene zu 2. einschließlich Tür- und Fensteröffnungselementen im Gesamtumfang von
ca. 25.000
EUR und der Umstellung der Pflege auf das Assistenzmodell besteht ein Bedarf an der eigenständigen Nutzung des Arbeitszimmers. Dies ist jedoch nicht mit einer wesentlichen Änderung der Pflegesituation gleichzusetzen.
Selbst wenn dieser Auffassung des Senats nicht zu folgen wäre und eine Prüfung des elektrischen Türöffners samt Schiebetür als Hilfsmittel nach der Gesetzlichen Krankenversicherung des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung gemäß
§ 33 SGB V (im Folgenden: 1.) oder nach § 40
Abs. 1
SGB XI (im Folgenden: 2.) in Betracht käme, müsste ein Anspruch der Klägerin aus den nachfolgenden Gründen ausscheiden.
1. Eine Sprachumfeldsteuerung dient dem Behinderungsausgleich nach § 33
Abs. 1
SGB V und kann deshalb grundsätzlich Hilfsmittel der Gesetzlichen Krankenversicherung sein. Diesem Versorgungsziel genügen nach den in der Rechtsprechung des
BSG entwickelten Maßstäben nicht nur diejenigen Hilfen, die dem unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Funktionen selbst dienen. Ziel der Hilfsmittelversorgung zum Zwecke des Behinderungsausgleichs ist es auch, die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen, soweit die Auswirkungen der Behinderung im täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, wozu das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis rechnet, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen (
vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2008, B 3 P 6/07 R, juris).
Durch die von der Beigeladenen zu 2. im Jahr 2002 bewilligte sprachgesteuerte Umfeldsteuerung wird die verbliebene Fähigkeit der Klägerin sichergestellt, die Wohnung so selbstständig wie möglich zu nutzen. So kann sie über die sprachgesteuerte Umfeldsteuerung beispielsweise elektrische Geräte einschalten oder die Außentüren (Balkon, Ausgang) öffnen. Im vorliegenden Fall wünscht die Klägerin eine Erweiterung dieser sprachgesteuerten Umfeldsteuerung auf ihr Arbeitszimmer und begründet dies mit der Sicherung von Arbeitgeberunterlagen sowie der besseren Beheizbarkeit der Räumlichkeit. Diese Gründe sind auch unter Würdigung der Gesamtumstände nicht ausreichend, um einen entsprechenden Versorgungsanspruch rechtfertigen zu können.
Das Interesse der Klägerin, Arbeitgeberunterlagen unter Verschluss halten zu können, kann ohne den Türöffner samt Schiebetür durch eine verschließbare Vorrichtung sichergestellt werden. Auf diese Weise könnte die Klägerin auf kostengünstige Weise ihre Arbeitgeberunterlagen selbst unter Kontrolle halten. Auch die Frage der Beheizbarkeit der Wohnung rechtfertigt die von der Klägerin begehrten Hilfsmittel nicht. So könnte sie in der gesamten Wohnung die Heizkörper durch ihre Assistenten so weit hochdrehen lassen, dass in der Wohnung eine angenehme Raumtemperatur erreicht würde. Einer unzureichenden Raumtemperatur könnte auf diese Weise ohne die beantragten Hilfsmittel begegnet werden. Auch der verständliche Wunsch der Klägerin auf ungestörten Aufenthalt, rechtfertigt nicht die beantragten Hilfsmittel. Aufgrund ihrer Hilflosigkeit ist sie vollständig auf die Hilfe von Dritten angewiesen. Solange die Assistenten vor Ort sind, kann die Klägerin als Arbeitgeberin bestimmen, allein im Arbeitszimmer zu verbleiben und von den
ggf. anwesenden Pflegepersonen nicht gestört zu werden. Diese könnten bei Bedarf auch die Tür zum Arbeitszimmer abschließen. Ist die Klägerin dagegen allein in der Wohnung, besteht ohnehin kein Bedarf nach Rückzug in einem bestimmten Raum. Das beantragte Hilfsmittel wäre demnach für beide Fallkonstellationen nicht erforderlich.
2. Die von der Klägerin gewünschte Ergänzung der sprachgesteuerten Umfeldsteuerung auf das Arbeitszimmer ist auch kein Pflegehilfsmittel im Sinne des § 40
Abs. 1
SGB XI, da § 33
SGB V der gesetzliche Vorrang zukommt.
Wie das
BSG in der Deckenlifterentscheidung (Urteil vom 12. Juni 2008 a.a.O.) überzeugend ausgeführt hat, hat sich am Vorrang der Gesetzlichen Krankenversicherung für die Hilfsmittelversorgung nach § 33
SGB V nichts geändert. So sind keine Leistungsverpflichtungen der Gesetzlichen Krankenversicherung ganz oder auch nur teilweise auf die soziale Pflegeversicherung verlagert worden. Die Pflegekassen haben lediglich ergänzende Versorgungspflichten für Pflegehilfsmittel übernommen, die vor der Einführung der Pflegeversicherung von den Versicherten selbst oder aus Mitteln der Sozialhilfe beschafft werden mussten (
BSG a.a.O.). Bei der Abgrenzung von Hilfsmitteln im Sinne des § 33
SGB V und Pflegehilfsmitteln im Sinne des
§ 40 Abs. 1 SGB V kommt es nach der Rechtsprechung des beim Pflegehilfsmittel lediglich darauf an, ob das Element des Behinderungsausgleichs weitestgehend in den Hintergrund tritt und dagegen die Pflege ganz überwiegend im Vordergrund steht.
Die sprachgesteuerte Umfeldsteuerung ermöglicht der Klägerin das selbstständige Wohnen, soweit ihre schwere Erkrankung es noch zulässt. Es handelt sich daher grundsätzlich um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33
SGB V. Ob dies auch für die von der Beigeladenen zu 2. gleichfalls gezahlten Öffnungsvorrichtungen des Schlafzimmerfensters sowie der Außen- und Balkontür anzunehmen ist, die eher einen wohnumfeldverbessernden Charakter aufweisen, braucht hier nicht entschieden zu werden. Gegen die Hilfsmitteleigenschaft spricht zumindest die feste Verbindung zur Bausubstanz in der jeweiligen Räumlichkeit.
Der Antrag der Klägerin auf Ergänzung der sprachgesteuerten Umfeldsteuerung auf das Arbeitszimmer bleibt in dem Leistungsrahmen des selbstständigen Wohnens und damit im Anwendungsbereich des § 33
SGB V. Pflegerelevante Aspekte sind für das beantragte Hilfsmittel dagegen nicht erkennbar, da die Pflegekraft lediglich davon entlastet werden würde, auf Anweisung der Klägerin die Arbeitszimmertür zu öffnen oder zu schließen. Für die Prüfung des § 40
Abs. 1
SGB XI bleibt daher kein Raum.
3. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beigeladene zu 1. aus
§§ 53 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3,
54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach § 53
Abs. 1 Satz 1
SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53
Abs. 3
SGB XII). Leistungen der Eingliederungshilfe sind nach § 54
Abs. 1
SGB XII u.a. die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemäß § 55
SGB IX. Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des
SGB IX nicht erbracht werden (§ 55
Abs. 1
SGB IX). Nach § 55
Abs. 2
Nr. 5
SGB IX sind solche Leistungen insbesondere Hilfen bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der behinderten Menschen entspricht.
Die genauen Voraussetzungen, in welchen Fällen ein Wohnungsumbau vom Sozialhilfeträger zu zahlen ist, werden im Gesetz nicht genannt. Ob und in welchem Umfang eine Wohnungshilfe zu gewähren ist, ist deshalb durch Auslegung unter Berücksichtigung allgemeiner Grundsätze zu bestimmen. Insoweit ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber hier nicht den stärkeren, an objektiven Gesichtspunkten ausgerichteten Bedarfsbegriff, sondern den subjektiven Bedürfnisbegriff verwendet hat. Dieser geht über den "Bedarf" insofern hinaus, als auch die persönlichen Vorstellungen und Wünsche des behinderten Menschen (
§ 9 SGB IX) verstärkt Berücksichtigung finden müssen. Andererseits stehen Teilhabeleistungen nach
§ 4 SGB IX allgemein unter dem Vorbehalt der Notwendigkeit. Vor allem folgt aus dem in § 2
Abs. 1
SGB XII normierten Nachranggrundsatz, der durch die Vorschriften des
SGB IX nicht tangiert wird, dass sich die Gewährung und das Ausmaß der Wohnungshilfe nicht allein nach den Wünschen des behinderten Menschen richten. Vielmehr ist zu fragen, ob der behinderte Mensch bereits über ausreichende Hilfsmittel verfügt, um in seinem Wohnumfeld ähnlich wie ein nicht behinderter Mensch zu leben (
vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. August 2012,
L 9 SO 452/11, juris).
Nach diesen Grundsätzen kann die Klägerin auch von der Beigeladenen zu 1. nicht die Kosten für den Einbau eines elektrischen Türöffners samt Schiebetür verlangen, da sie bereits ausreichend versorgt ist. Die Klägerin verfügt über ein sprachgesteuertes Umfeldsteuerungssystem und kann die Außen- und Balkontür sowie das Schlafzimmerfenster auf diese Weise selbstständig öffnen. Das selbstständige Leben ist ihr in Umsetzung des sog. Assistenzmodells in den eigenen Räumlichkeiten möglich, für das die Beigeladene zu 1. monatlich bereits erhebliche Mittel aufwendet. Der Wunsch der Klägerin, zur Sicherung von Arbeitgeberunterlagen sowie zur besseren Beheizbarkeit des Arbeitszimmers einen elektrischen Türöffner sowie eine Schiebetür zu erlangen, ist zwar verständlich, jedoch nicht unbedingt notwendig, um ihre Existenz zu sichern. Wie der Beigeladene zu 1. überzeugend ausgeführt hat, sind beide von der Klägerin genannten Gründe nicht ausreichend, um einen derartigen Anspruch zu rechtfertigen. Mit den bereits vorhandenen Mitteln kann die Klägerin - soweit es ihre starke Behinderung zulässt - ihre eigene Wohnung mit Fremdhilfe noch bewohnen, auch wenn gewisse Versorgungslücken am Tag hingenommen werden müssen. Aus den bereits oben genannten Gründen kann die Sicherung von Dokumenten durch eine kostengünstige verschließbare Vorrichtung erreicht werden. Die Beheizbarkeit des am intensivsten genutzten Arbeitszimmers kann durch eine verstärkte Beheizung der Gesamtwohnung ebenfalls - ohne die beantragte Maßnahme - auf kostengünstigere Weise hergestellt werden. Mögliche Einspareffekte von Heizenergie können hierbei vernachlässigt bleiben.
Die eigenständige Verschließbarkeit des Arbeitszimmers durch die Klägerin würde die Pflege auch nicht wesentlich erleichtern, da eine Assistenz nur von Aufgabe entlastet werden würde, die Tür zu verschließen. Dagegen könnte sich die Pflege sogar eher erschweren, wenn die Klägerin bei einer von ihr selbst verschlossenen Tür einer gesundheitlichen Gefährdung ausgesetzt werden würde. In diesem könnte die Pflegekraft u.U. die Gefahrenlage nicht rechtzeitig erkennen und sofort eingreifen.
4. Auch ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Versorgung mit einem anderen Hilfsmittel kommt nicht in Betracht. Sofern der Auffassung einer wohnumfeldverbessernden Baumaßnahme bei den beantragten Maßnahmen nicht gefolgt werden würde und gemäß §§ 53
Abs. 1 Satz 1,
Abs. 3, 54
Abs. 1
SGB XII i.V.m. § 55
Abs. 1,
Abs. 2
Nr. 1
SGB IX ein Hilfsmittelanspruch in Betracht kommen würde, besteht keine Erforderlichkeit für ein sprachgesteuert verschließbares Arbeitszimmer. Die unter § 33
SGB V aufgeführten Gründe gelten auch insoweit fort.
5. Ein Anspruch aus § 73
SGB XII scheidet ebenfalls aus. Mit dieser Auffangnorm soll lediglich unbekannten Notlagen von einigem Gewicht begegnet werden. Die Vorschrift ist daher auf unbenannte Bedarfssituationen ausgerichtet, die in anderen Bereichen des Sozialrechts gerade nicht geregelt worden sind (Grube/Wahrendorf,
SGB XII, § 73 Rdn 3
ff., 3. Auflage 2010; Schellhorn/Schellhorn/Hohm,
SGB XII, § 73 Rdn. 3 ff, 18. Auflage 2010). Die von der Klägerin gewollte Umbaumaßnahme
bzw. Hilfsmittelversorgung ist in den oben geprüften Normen gesetzlich klar geregelt, so dass auf diesem Gebiet keine sozialhilferechtliche Bedarfslage nach § 73
SGB XII entstehen kann. In jedem Fall scheitert ein derartiger Anspruch aus den oben genannten Gründen an der fehlenden Notwendigkeit für die beantragte Maßnahme.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter rechtlicher Grundlage.