Streitig ist die Frage, ob sog. Elektroscooter nach der lfd.
Nr. 51 der Anlage 2 zum UStG dem ermäßigten Steuersatz von 7 v.H. unterliegen.
Der Kläger, der seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten versteuert, betreibt einen Einzelhandel mit Rehamitteln. U.a. bietet er neben elektrisch betriebenen Rollstühlen sog. Elektroscooter an. Dabei handelt es sich um drei- oder vierrädrige Elektrofahrzeuge, die über eine separat bewegliche Lenksäule gesteuert werden. Die Scooter können mit folgenden Ausstattungsvarianten versehen werden: Drehbarer Sitz, Trittbrett, Kopfstütze, Spezialsitzfläche, Überbreite mit bis 500 kg Tragkraft, Stockhalter, Halterung für Gehstützen oder Rollatoren, Infusionsständerhalter, Sauerstoff-Gerätehalter, Einhandbedienung, Einfußbedienung. Dazu besteht herstellerseitig noch die Möglichkeit, das Fahrzeug individuell im Hinblick auf eine bestimmte Behinderung umzubauen.
Im Streitjahr 2004 hat der Kläger lediglich drei Umsätze mit Elektorscootern erzielt, wobei in einem Fall (Kundin E) der Scooter nur leihweise zur Verfügung gestellt wurde, während die anderen beiden Fahrzeuge (Kunden M und K) verkauft wurden. Der Kläger hat auf Anfrage des Gerichts, inwieweit die Fahrzeuge mit besonderen Einrichtungen für Behinderte versehen seien, folgendes mitgeteilt:
Fahrzeug E:
Shoprider TE 889 NR
drehbarer Sitz, Sitztiefe verstellbar, Rückenwinkel einstellbar, Kopfstütze, Lenksäule verstellbar, Rückspiegel, vorderer Korb, Sitzbreite über Armlehnen einstellbar
Fahrzeug K: Lecson
HS-686
Luxussitz, Sitzverstellschiene, Rückspiegel links, Rammschutz vorne, Stockhalter
Fahrzeug M: Zimmer Scooter Exklusiv
drehbarer Sitz, Sitztiefe verstellbar, Rückenwinkel einstellbar, Kopfstütze, Lenksäule verstellbar, Rückspiegel, vorderer Korb, Sitzbreite über Armlehnen einstellbar
Hinsichtlich des Fahrzeugs
HS-686 K liegt eine Bescheinigung der Firma Lecson vor, wonach die Zubehörteile Stockhalter, Gehhilfenhalter und Rolatorhalter für die Modelle Lecson
HS 320-
HS 890 die gleichen seien wie für die Modelle Lecson
HS-1000 -
HS 5600. Ob der konkret an Herrn K gelieferte Scooter über den Stockhalter hinaus mit einem Gehhilfen- und Rolatorhalter versehen ist, wird daraus nicht ersichtlich. Für Frau M liegen Angebote für die Fahrzeuge Power 220 und Rapido, Vermeiren vor. Dabei handelt es sich aber jeweils um Elektrorollstühle und nicht um den tatsächlich veräußerten Zimmer Elektroscooter.
Der Kläger ging in seiner Umsatzsteuererklärung für 2004 davon aus, dass auf diese Umsätze der ermäßigte Steuersatz von 7 v.H. anzuwenden sei.
Am 25. Januar 2006 fand beim Kläger eine Umsatzsteuersonderprüfung für 2004 und 2005 statt. Dabei stellte sich der Prüfer unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur zur Tarifziffer 87139000 des Zolltarifs auf den Standpunkt, dass die Elektroscooter - anders als die Rollstühle - nicht dem ermäßigten, sondern dem Regelsteuersatz der Umsatzsteuer unterliegen würden. Dementsprechend erging mit Datum vom 13. April 2006 erstmaliger Umsatzsteuerbescheid für 2004, wobei dem Beklagten allerdings insoweit ein Fehler unterlief, als er den Bruttoumsatz aus der Veräußerung
bzw. der Vermietung der Scooter betragsmäßig unzutreffend in einen zu hohen Nettoumsatz umrechnete.
Der gegen den Umsatzsteuerbescheid 2004 gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Im anschließenden Klageverfahren vertritt der Kläger die Rechtsauffassung, dass die Anwendung eines unterschiedlichen Steuersatzes je nach Bauart des Elektromobils zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung führe und kein sachgerechtes Abgrenzungskriterium darstelle. Die ermäßigte Besteuerung von Rollstühlen und ähnlichen Fahrzeugen für Behinderte habe den Zweck, die Sozialversicherungsträger, Krankenhäuser und Altenheime zu entlasten. Dieser Zwecksetzung stehe es entgegen, wenn Elektroscooter, für deren Kosten die Sozialversicherungsträger aufkommen, nicht begünstigt würden. Denn ein Leistungsberechtigter habe gegenüber der Krankenversicherung ein Wahlrecht, einen Rollstuhl oder einen Elektroscooter zu beanspruchen. Derartige Elektromobile seien auch in die Hilfsmittelverzeichnisse der Krankenkassen aufgenommen worden. Scooter und Rollstühle seien aus Sicht der Krankenversicherer gleichwertig. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 12
Abs. 2
Nr. 1 UStG und der Lfd.
Nr. 51 der Anlage 2 zu § 12 UStG Ziffer müssten Elektroscooter, wie sie der Kläger anbiete, ermäßigt besteuert werden.
Richtigerweise sei danach zu differenzieren, ob Fahrzeuge durch Behinderte oder Kranke genutzt würden oder ob die Fahrzeuge zum Einsatz auf Golfplätzen oder Flughäfen bestimmt seien.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer 2004 auf ./. 438,65
EUR herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die mit den Elektroscootern erzielten Umsätze dem Regelsteuersatz unterliegen würden. Der ermäßigte Steuersatz des § 12 UStG könne nur auf die Lieferung solcher Gegenstände angewandt werden, die in der Anlage 2 zum UStG aufgeführt seien. Die Abgrenzung richte sich nach dem Zolltarif. Nach der Unterposition 8703 10 des Zolltarifs würden Elektro-Scooter der nicht begünstigten Unterposition des Zolltarifs zugewiesen. Für die Einordnung sei es unbeachtlich, wie der gelieferte Gegenstand tatsächlich genutzt werde. Eine Ungleichbehandlung liege nicht vor, weil die Tarifavise in allen Vertragsstaaten der Weltzollorganisation gelten würden und gleichartige Fahrzeuge deshalb auch in anderen Vertragsstaaten entsprechend behandelt werden würden.
Der Beklagte hat während des Klageverfahrens am 2. April 2007 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2004 erlassen, in dem er nunmehr den rechnerisch zutreffenden mit den Elektroscootern erzielten Nettoumsatz in Ansatz gebracht hat.
Die Verfahrensbeteiligten haben mit Schriftsätzen vom 11. September 2006 und 2. November 2006 auf mündliche Verhandlung verzichtet.