Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100
Abs. 1 FGO).
1. Die Aufwendungen für die Abschirmmaßnahmen sind als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG im Rahmen der Veranlagung des Jahres 2009 in Höhe von 17.075,-
EUR zu berücksichtigen.
a. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird gemäß § 33 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung nach
Abs. 3 übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 EStG nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können. Die zumutbare Eigenbelastung beträgt bei Steuerpflichtigen mit einem Kind und einem Gesamtbetrag der Einkünfte über 51.130,-
EUR 4 % des Gesamtbetrags der Einkünfte.
b. In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (
z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteil vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596). Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33
Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227,
m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (
vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind. Der BFH sieht es als geboten an, Aufwendungen nach § 33 EStG auch dann steuermindernd zu berücksichtigen, wenn sie einem Steuerpflichtigen erwachsen, weil er gezwungen ist, eine konkrete, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehende Gesundheitsgefährdung zu beseitigen. Derartigen Aufwendungen kann der Steuerpflichtige aus tatsächlichen Gründen nicht ausweichen, wenn anderenfalls mit einem Schaden für seine Gesundheit oder die Gesundheit seiner Familie zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240). Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits forderte der BFH früher seit dem Urteil vom 14. Februar 1980 VI R 218/77 (BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295, betreffend Badekur auf Ibiza) in ständiger Rechtsprechung regelmäßig die Vorlage eines zeitlich vor der Leistung von Aufwendungen erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens
bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung zweifelsfrei entnehmen lässt.
Auch bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangte der BFH diesen formalisierten Nachweis (beispielsweise BFH-Urteile vom 9. August 1991 III R 54/90, BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920, betreffend Bett mit motorgetriebener Oberkörperaufrichtung; vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, betreffend Asbestsanierung der Außenfassade eines Wohnhauses; vom 23. Mai 2002 III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592, betreffend Neuanschaffung von Mobiliar wegen Formaldehydemission; in BFH/NV 2007, 1841, betreffend Beseitigung von Birken; BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 2004 III B 56/04, juris, betreffend Asbestbeseitigung).
An diesem formalisierten Nachweisverlangen hielt der BFH seit 2010 (BFH-Urteil vom 11.11.2010 VI R 17/09, BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969) nicht mehr fest. Denn derartige Nachweispflichten ergäben sich nicht aus dem Gesetz und widersprächen dem in § 96
Abs. 1 Satz 1 FGO geregelten Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Das Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12
Nr. 1 EStG) gehören könnte, bezweckte vornehmlich, Gefälligkeitsgutachten zu vermeiden, die deshalb nahelägen, weil auch Maßnahmen der Lebensführung der Gesundheit förderlich sein können und weil ein langjährig behandelnder Arzt deshalb im Interesse seines Patienten die therapeutische Zwangsläufigkeit weniger streng beurteilen könnte. Eine vorherige Begutachtung sollte vor allem deshalb erforderlich sein, weil sich frühere Gegebenheiten --z.B. die Umweltbelastung nach Beseitigung emittierender Gegenstände oder der Gesundheitszustand vor der streitigen Behandlung-- im Nachhinein regelmäßig nicht oder jedenfalls nicht zuverlässig feststellen ließen. Der BFH sah unterdessen nicht mehr die Gefahr, dass die freie Ärzteschaft dazu neige, Gefälligkeitsgutachten zu erstellen. Einen derartigen Generalverdacht vermöge jedenfalls allein das regelmäßig von einem besonderen Vertrauen getragene Verhältnis zwischen Arzt und Patient nicht zu begründen. Auch sei das Verlangen nach einer amtsärztlichen oder vergleichbaren Stellungnahme zur Missbrauchsabwehr nicht erforderlich. Denn durch ein von einem Beteiligten vorgelegtes, beispielsweise vom behandelnden Arzt erstelltes Sachverständigengutachten könne der Nachweis der Richtigkeit des klägerischen Vortrags und damit der medizinischen Indikation einer Heilmaßnahme nicht geführt werden. Vielmehr sei ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen (BFH-Urteil vom 23. Februar 2010 X B 139/09, BFH/NV 2010, 1284,
m.w.N.). Es sei aber nicht ersichtlich, aus welchen Gründen nur ein Amtsarzt oder etwa der Medizinische Dienst einer öffentlichen Krankenversicherung, nicht aber ein anderer Mediziner die erforderliche Sachkunde und Objektivität besitzen sollte, um die medizinische Indikation von nicht nur für Kranke nützliche Maßnahmen sachverständig beurteilen zu können.
Bezüglich der Frage der Nützlichkeit einer Maßnahme in diesem Sinne sei zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist. Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen (BFH-Urteil vom 11.11.2010 VI R 17/09, BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969).
b. Im Rahmen des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 20. September 2011 (BGBl I 2011, 2131) hat der Gesetzgeber in § 33
Abs. 4 EStG bestimmt, dass die Bundesregierung durch eine
Rechtsverordnung Einzelheiten zum Nachweis von Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen bestimmen kann. § 64 EStDV regelt insoweit die Einzelheiten. Nach
Abs. 1
Nr. 2 wird für bestimmte Maßnahmen ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung verlangt. Unter anderem werden unter dem Buchstaben e) insoweit medizinische Hilfsmittel, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.
S. von
§ 33 Abs. 1 SGB V sowie unter dem Buchstaben f) wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie zum Beispiel Frisch - und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff -, Chelat- und Eigenbluttherapie genannt. Gemäß § 84
Abs. 3f EStDV ist diese Rechtsvorschrift in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.
c. In Anwendung dieser Grundsätze waren die Kosten der Abwehrmaßnahmen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Der Senat geht insoweit davon aus, dass - unabhängig von der Frage, ob die Änderung der EStDV eine verfassungswidrige Rückwirkung beinhaltet (dies verneinend: FG Münster vom 18. Januar 2012 11 K 317/09, juris) - sich aus § 64 EStDV nicht entnehmen lässt, dass zum Nachweis der Zwangsläufigkeit der streitgegenständlichen Kosten ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung notwendig gewesen sei. Die streitgegenständlichen Maßnahmen lassen sich unter keine der in § 64
Abs. 1
Nr. 2 EStDV genannten Alternativen subsumieren. Weder handelt es sich bei den Umbaumaßnahmen um medizinische Hilfsmittel im Sinne des Buchstaben e) noch handelt es sich um eine Behandlungsmethode im Sinne des Buchstaben f). Eine analoge Anwendung im Hinblick auf die streitgegenständlichen Baumaßnahmen verbietet sich, da diese zu Lasten der Klägerin gehen würde. Insoweit hätte der Verordnungsgeber seinerseits eine entsprechende bestimmte Regelung treffen müssen.
Insoweit ist die Frage, ob außergewöhnlichen Belastungen vorliegen, weiterhin nach Maßgabe der geänderten Rechtsprechung des BFH zu beurteilen.
Danach kommt es für den Fall nicht entscheidend darauf an, dass die Klägerin kein amtsärztliches Gutachten oder ein Gutachten eines medizinischen Dienstes vorlegen konnte. Aus dem von ihr vorgelegten ärztlichen Gutachten, welches insofern als Privatgutachten zu bewerten ist, ergibt sich, dass bei der Klägerin eine ausgeprägte Elektrosensibilität diagnostiziert wurde. Die Abschirmmaßnahmen seien danach notwendig, um die Folgen der Hochfrequenzstrahlung in Form von Migräne und Tinnitus zu vermeiden. Dieses Gutachten wurde zeitlich vor den Umbaumaßnahmen erstellt. Ausweislich des Gutachtens des Ingenieurbüros "B" vom 25. September 2009 seien die in dem umgebauten Objekts gemessen an Emissionen von Mobilfunkbasisstationen stark auffälligen und aus baubiologischer Sicht nicht mehr zu akzeptieren.
Aufgrund der Tatsache, dass der BFH in seiner Entscheidung vom 11. November 2010 (VI R 17/09, BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969) ausdrücklich klargestellt hat, dass als zwangsläufig i.
S. des § 33 FGG nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung anzusehen sei, sondern jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt ist, kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin durchgeführten Umbaumaßnahmen als zwangsläufig in diesem Sinne anzusehen sind. Aufgrund der vorgelegten Gutachten geht der Senat davon aus, dass die Umbaumaßnahmen jedenfalls noch "hinreichend gerechtfertigt" waren. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Berufung des Beklagten auf die Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Januar 2007 (2 K 1047/05,
EFG 2007, 929). Soweit diese Entscheidung darauf abstellt, dass Abschirmmaßnahmen gegen Mobilfunkwellen keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen, wenn ihre Ursächlichkeit nicht durch ein amtsärztliches Gutachten nachgewiesen wird, so ist diese Rechtsprechung durch die geänderte Rspr. des BFH obsolet geworden. Dass der Senat des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz darüberhinaus entscheidend darauf abgestellt hat, dass das Einhalten von Grenzwerten indiziere, dass keine Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunkwellen vorliege, so vermag der Senat für den vorliegenden Fall hieraus nichts abzuleiten. Unabhängig von der Frage, ob Grenzwerte eingehalten wurden, sieht der Senat die von der Klägerin durchgeführten Maßnahmen als hinreichend gerechtfertigt an. Der Senat interpretiert den BFH insoweit dahingehend, dass ein eher weiter Maßstab bezüglich der Frage der medizinischen Indikation anzuwenden ist.
Die Ausführungen des Beklagten, dass die Kosten für die Umbaumaßnahmen allenfalls im Rahmen von erhöhten Herstellungskosten bei Vermietungseinkünften Berücksichtigung finden könnten, hält der Senat überdies für fernliegend, da nach anschaulicher Beschreibung der Klägerin die Abschirmung dazu führt, dass das Nutzen von Mobilfunkgeräten sowie WLAN-Modems und schnurlosen Telefonen nahezu unmöglich gemacht wird. Dies stellt allerdings für einen durchschnittlichen Mieter eine erhebliche Einschränkung dar, so dass insoweit aus Vermietungsgesichtspunkten nicht von einem Mehrwert gesprochen werden kann.
Der Senat sah keinen Anlass zur Zulassung der Revision, da das Urteil der geänderten Rechtsprechung des BFH beruht.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung folgt aus § 155 FGO, § 709
ZPO.