Urteil
Erstattung der Anschaffungskosten einer Zehenorthese durch die Krankenversicherung

Gericht:

SG Düsseldorf 4. Kammer


Aktenzeichen:

S 4 KR 237/04


Urteil vom:

29.11.2006


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung für die Anschaffungskosten einer Zehenorthese.

Die am 00.00.1933 geborene Klägerin beantragte am 23.04.2004 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Zehenorthese. In der beigefügten ärztlichen Verordnung des Orthopäden E1 vom 31.03.2004 heißt es, dass wegen der bei der Klägerin bestehenden Druckschwielen und Hammerzehen eine Zehenorthese nach Maß erforderlich wäre. Der beigefügte Kostenvoranschlag der Firma E2 beläuft sich auf 53,67 EUR. Mit Bescheid vom 05.05.2004 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Das beantragte Produkt sei in der Verordnung über ausgeschlossene Hilfsmittel mit geringem oder umstrittenen Nutzen oder geringem Abgabepreis enthalten und somit von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen. Die Beklagte dürfe daher die Kosten nicht übernehmen.

Der dagegen am 12.05.2004 erhobene Widerspruch wurde damit begründet, dass dieses Hilfsmittel medizinisch notwendig und ärztlich verordnet sei. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2004 als unbegründet zurück. Gemäß der nach § 34 SGB V vom Bundesminister für Gesundheit erlassenen Rechtsverordnung sind die in dieser Rechtsverordnung genannten Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse ausgeschlossen. In der genannten Verordnung sind Zehen- und Ballenpolster sowie Zehenspreizer von der Versorgung zu Lasten der Krankenkassen ausgeschlossen. Die beantragten Zehenorthesen bestünden aus Silikon oder einem anderen weichen flexiblen Material, welches die Stellung der Zehen nicht korrigieren können.

Die wesentliche Wirkung derartiger Orthesen bestehe in einem durckmindernden Effekt. Die Orthesen seien geeignet, einen gewissen Schutz vor Druckstellen zu gewährleisten. Sie seien jedoch nicht in der Lage, eine Behinderung auszugleichen oder einer Verschlimmerung vorzubeugen. Sie seien folglich nicht als Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V sondern als Alternative zu handelsüblichen Zehenschützern anzusehen, die nach § 34 Absatz 4 SGB V von der Verordnung ausgeschlossen seien.

Dagegen hat die Klägerin am 23.07.2004 vor dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.05.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2004 zu verurteilen, die Kosten für die beantragte Zehenorthese zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Zehenorthese sei hier aufgrund von Druckschwielen und Hammerzehenbildung verordnet worden. Sie diene somit zum Schutz vor weiteren Druckschwielen und werde somit polsternd und spreizend, nicht jedoch korrigierend eingesetzt. Sie sei somit nach der genannten Verordnung von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen.

Das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung teilte auf Anfrage des Gerichtes mit Schreiben vom 01.09. und 09.11.2004 unter anderem mit, dass der Leistungsausschluss auch für ggf. nach Maß gefertigte Produkte gelte, sofern sie überwiegend polsternde oder spreizende Wirkung hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, insbesondere auf die von der Klägerin vorgelegte Auskunft des Innungsverbandes für Orthopädie-Schuhtechnik Nordrhein-Westfalen zur Zehenkorrektur-Orthese nach Maß Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht gemäß § 44 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da die Beklagte zu Recht die Übernahme der Kosten für die von der Klägerin laut Rechnung vom 20.07.2004 beschaffte Zehenorthese abgelehnt hat.

Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die von der Klägerin beschaffte Zehenorthese laut Rechnung vom 20.07.2004, richtet sich nach § 13 Absatz 3 SGB V. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne dieser Vorschrift handelte es sich nicht.

Die Beklagte hat auch die Übernahme der Kosten nicht zu Unrecht abgelehnt. Der nach § 13 Absatz 3 Satz 1 zweite Alternative SGB V erforderliche Beschaffungsweg: Die Selbstbeschaffung der Leistung muss der Ablehnung durch die Kasse zeitlich folgen, ist hier eingehalten. Laut Rechnung vom 20.07.2004 wurde die Leistung nach Erteilung des negativen Bescheides vom 05.05.2004 selbst beschafft.

Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Zehenothese durch die Beklagte: Nach § 33 Absatz 1 SGB V haben Versicherte unter anderem Anspruch auf Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Absatz 4 SGB V ausgeschlossen sind. Die Zehenorthese ist jedoch nach § 34 Absatz 4 SGB V von der Leistungspflicht ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann der Bundesminister für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt (Satz 1). In der auf Grund dieser Ermächtigung erlassenen Verordnung über Hilfsmittel von geringem technischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 13. Dezember 1989 - in der Fassung vom 17.01.1995 - sind in § 2 (sächliche Mittel mit geringem Abgabepreis) unter Nr. 20 "Zehen- und Ballenpolster, Zehenspreizer" aufgeführt und somit von der Versorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen. Auch wenn das von der Klägerin beschaffte Hilfsmittel vom Hersteller nicht als Zehen- oder Ballenpolster oder Zehenspreizer bezeichnet wird, sondern Zehenorthese nach Maß genannt wird, so handelt es sich nach Auffassung der erkennenden Kammer doch um ein Hilfsmittel, das zu den Zehenpolstern und Zehenspreizern gehört.

Die Tatsache, dass die streitige Orthese nach Maß gefertigt wird, schließt die Anwendung der genannten Verordnung nicht aus: In der Verordnung wird nicht zwischen einerseits nach Maß und andererseits in Serienproduktion gefertigten Hilfsmitteln unterschieden. Somit erfasst § 2 Nr. 20 der genannten Verordnung auch nach Maß gefertigte Hilfsmittel.

Der Auffassung der Klägerin, dass die beantragte Orthese keine polsternde und spreizende Wirkung, sondern korrigierende und druckentlastende Wirkung hat, vermag sich die erkennende Kammer nicht anzuschließen. Nach der vom Innungsverband für Orthopädie-Schuhtechnik Nordrhein-Westfalen herausgegebenen Arbeitsgrundlage für Zehenkorrektur-Orthesen nach Maß ist eine Korrektur der mit Hammerzehen meist verbundenen Kontraktur nur begrenzt möglich. Die Orthese sollte eine Streckwirkung erzeugen und die prominente Zehenkuppe zum Schutz gegen Reibung einbeziehen. Damit hat die hier beantragte Orthese ebenfalls polsternde Funktion zur Vermeidung ungünstiger Reibung. Somit steht die von der Klägerin behauptete druckentlastende und korrigierende Funktion hier nicht im Vordergrund.

Nach Auffassung der erkennenden Kammer erfasst die genannte Verordnung ohnehin alle Orthesen, die druckentlastende oder korrigierende Funktion haben, soweit es sich nicht um Orthesen handelt, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Behandlung akuter Unfallfolgen oder -verletzungen stehen. Die in der Verordnung genannten Funktionen: Polsterung und Spreizung haben regelmäßig auch eine druckentlastende Funktion zur Folge und sind automatisch damit verbunden, dass die Zehen in eine andere Richtung abgelenkt werden. Die Funktionen Druckentlastung und Korrigierung sind somit Unterpunkte der Funktionen Polsterung und Spreizung. Da sie sich automatisch als Folge einer Polsterung bzw. Spreizung ergeben. Die Orthese wird daher vom Wortlaut der Verordnung erfasst.

Auch der Abgabepreis spricht nicht gegen dieses Ergebnis: Für die von der Klägerin beschaffte Orthese wurden 53,67 EUR in Rechnung gestellt. Das BSG hatte mit Urteil vom 25.10.1994 unter anderem festgestellt, dass Beträge bis zu 150,00 DM jährlich allgemein als geringfügig bewertet werden können (Urteil des BSG vom 25.10.1994 3/1 RK 57/93).

Der hier maßgebliche Anschaffungspreis liegt unterhalb dieser Grenze.

Die Klägerin hatte somit keinen Leistungsanspruch gegen die Beklagte, so dass die Beklagte den Anspruch auf Kostenübernahme zu Recht abgelehnt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Referenznummer:

R/R4466


Informationsstand: 09.02.2010