Die zulässige Berufung des Klägers ist in Höhe von 4.835,76 Euro für den Erwerb der individuell angepassten Sitzschale begründet. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und der Beklagten handelt es sich hierbei, anders als bei dem Sitzschalenfahrgestell Mika, um ein Hilfsmittel der Pflegeversicherung. Entsprechend war die Berufung hinsichtlich des Betrages von 3.283,23 Euro zurückzuweisen.
Dem Kläger steht der versicherungsrechtliche Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Sitzschale zu. Gemäß § 192 Abs 6 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG, in der ab 01.01.2009 unverändert gegenüber dem inhaltlich übernommenen § 178 b
aF geltenden Fassung) ist bei der Pflegekrankenversicherung der Versicherer verpflichtet, im Falle der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für die Pflege der versicherten Person zu erstatten oder das vereinbarte Tagegeld zu leisten. Der Leistungsumfang bestimmt sich nach den im Versicherungsvertrag vereinbarten Konditionen. Für die Leistungen der häuslichen Pflege ist die Regelung des § 4
MB/PPV 2008 maßgebend. Hiernach haben versicherte Personen gemäß
Nr. 4 des hier maßgebenden Tarifs PV Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für die Hilfsmittel und technischen Hilfen oder deren leihweise Überlassung, wenn und soweit die Pflegehilfsmittel und technischen Hilfen zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden der versicherten Person beitragen oder ihr eine selbständigere Lebensführung ermöglichen und die Versorgung notwendig ist. Der Versicherer erstattet die im Pflegehilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegepflichtversicherung aufgeführten Pflegehilfsmittel.
Mit dem Sozialgericht und der Beklagten geht auch der Senat davon aus, dass die von dem Kläger als Multifunktionsrollstuhl bezeichnete Kombination aus Sitzschale und Fahruntergestell Mika, auch dann, wenn man die angepasste Sitzschale und das Sitzschalenfahrgestell jeweils für sich bewertet, nicht vom Hilfsmittelkatalog der PPV umfasst wird. Letzteres enthält, wie auch dasjenige der PKV, eine abschließende Aufzählung (vgl hierzu Beschluss des
OLG Köln vom 23.02.2011, 20 U 123/10 für die PKV). Im Hilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegeversicherung sind insoweit unter der Ziffer 1.2.5 "Sitzhilfen zur Pflegeerleichterung", unter 1.2.6 "Rollstühle mit Sitzkantelung", unter 1.2.7 "Pflegerollstühle" und unter 1.3.1 "Schieberollstühle (Standard-Schieberollstühle)" aufgeführt. Keinem dieser Hilfsmittel entsprechen die angepasste Sitzschale und das Sitzschalenfahrgestell. Dies ergibt sich für die Ziffer 1.3.1 "Schieberollstühle" bereits daraus, dass nur Standard-Schieberollstühle erfasst sind; Individualanfertigungen werden hiervon nicht erfasst. Die streitige Sitzschale ist nicht mit einem Rollstuhl mit Sitzkantelung, einen Pflegerollstuhl oder einer reinen Sitzhilfe vergleichbar. Ein mit dem Fahruntergestelle zu Transportzwecken über einen Adapter verbundenen angepasste Sitzschale ist auch in der Kombination nicht mit einem Rollstuhl gleichzusetzen. Der Senat schließt sich insoweit auch der Beurteilung der MEDICPROF
GmbH an. Gerade in der Kombination Sitzschale mit dem streitigen Fahruntergestell Mika, kommt dem Hilfsmittel, wie auch vom Kläger und der Ehefrau so bezeichnet, die Funktion eines sog. Multifunktionsrollstuhls zu. Hier steht, auch wenn die Verwendung der Erleichterung der Pflege dient insoweit zumindest gleichwertig, der Behinderungsausgleich ganz im Vordergrund. Dieses Hilfsmittel in der konkreten Ausgestaltung erlaubt es der S, außerhalb der häuslichen Umgebung
z. B. am Schulbetrieb teilzunehmen. Dadurch, dass durch den Einsatz dieses Hilfsmittels im häuslichen Bereich auch ihr allgemeiner Pflegebedarf verringert und damit die Pflege erleichtert wird, wird der Multifunktionsrollstuhl nicht zu einem reinen Pflegehilfsmittel. Sein Anwendungsbereich dient im Wesentlichen dem Behinderungsausgleich und ist allein der Leistungspflicht der Krankenversicherung zuzuordnen. Dass die PKV hierfür im konkreten Fall nicht eintritt, ist Folge des eigenverantwortlich ausgehandelten Vertragsabschlusses (vgl hierzu
BSG, Urteil vom Urteil vom 10.11.2005,
B 3 P 10/04 R in Juris Rn 18f,
OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 10.01.2011, Urteil vom 23.02.2011). Privat Krankenversicherte haben keinen Anspruch auf vollständige Gleichbehandlung mit gesetzlich Krankenversicherten (vgl hierzu
BSG, Urteil vom Urteil vom 10.11.2005, B 3 P 10/04 R in Juris Rn 18f,).
Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht jedoch ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die angepasste Sitzschale, denn die Sitzschale in Kombination mit einem Zimmeruntergestell, wie es der Produktbeschreibung Biene oder Delfin der Firma REHATEC entspricht, ist nach Ansicht des Senat ein Pflegehilfsmittel, das nach Art und Umfang den Leistungen des vierten Kapitels des
SGB XI gleichwertig ist. Es verstößt insoweit gegen § 23 Abs 1 S 1
SGB XI, wenn nach den Versicherungsbedingungen der Anspruch auf die Versorgung mit der hier streitigen Sitzschale abgelehnt wird (vgl hierzu
BSG, Urteil 10.11.2005, B 3 P 10/04 R in Juris Rn 15 ff). Maßstab für die Frage der Gleichwertigkeit des Leistungsanspruchs ist § 40 Abs 1 S 1
SGB XI. Danach haben Pflegebedürftige der sozialen Pflegeversicherung Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Der Senat ist nach der informatorischen Anhörung der Eltern und nach Inaugenscheinnahme der Fotos der Überzeugung, dass für die ordnungsgemäße und sachgerechte Durchführung der häuslichen Pflege der Einsatz der Sitzschale mit einem Zimmeruntergestell, wie es der Produktbeschreibung Biene oder Delfin der Firma REHATEC entspricht, unerlässlich ist und das Element des Behinderungsausgleich als zu vernachlässigend in den Hintergrund tritt. Insoweit weicht der Senat von der strikten Abgrenzung des
BSG ab. Bei der Art der Erkrankung der zum Zeitpunkt der Anschaffung der Sitzschale bereits 10 Jahre alten Tochter ist eine sachgerechte Pflege im Rahmen der in den §§ 14, 15
SGB XI geschilderten Grundpflegeverrichtungen der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität überhaupt erst möglich. So wird im Gutachten von der N
GmbH zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 06.05.2006 im Rahmen der Ernährung ein Zeitbedarf von durchschnittlich 132 Minuten täglich angenommen. Die Nahrung muss nicht nur püriert und sehr klein geschnitten, sondern S muss auch gefüttert werden. Zudem kann auch Flüssigkeit nur mit Hilfe der Pflegeperson aufgenommen werden und dies auch nur sehr langsam. Ohne die individuell angefertigte Sitzschale ist die so umschriebene Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme nicht möglich. Die Mutter der S hat insoweit für den Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass ihre Tochter lediglich in halb aufgerichteter Position in der Sitzschale gefüttert werden kann. Der Kläger hat dies ebenfalls bestätigt. Der Senat legt diese Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde. Auch weitere Pflegeverrichtungen, wie das Waschen von Gesicht und Händen, das Zähneputzen, das Kämmen der Haare, das Anlegen der Beinorthesen und der speziellen Schuhe, werden durchgeführt, während S in der angepassten Schale sitzt. Das S in der Sitzschale auch am Schulunterricht (jedenfalls zum Teil) teilnimmt und zu Hause hierin Musik hört oder fernsieht, dient zwar auch dem Behinderungsausgleich im Sinne des § 33
SGB V; dieser tritt gegenüber dem Pflegeausgleich dann in den Hintergrund, wenn wie hier das Hilfsmittel für die Durchführung einer sachgerechten Pflege unabdingbar erforderlich ist. Zudem müssen Hilfsmittel für Pflegebedürftige nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt bleiben (
BSG, Urteil vom 23.05.2001,
L 3 P 46/00 in Juris Rn18). Maßgeblich ist allein, ob das Pflegehilfsmittel dazu dient, die häusliche Pflege sicherzustellen. Aber auch während der Schule benötigt S Hilfe bei der Ernähung und der Körperpflege.
Unerheblich ist nach Ansicht des Senats, dass das Hilfsmittel aufgrund der konkreten Konstruktion mit einer Adaptervorrichtung statt auf einem geeigneten Zimmeruntergestell wie Biene und Delfin auf einem auch extern einsatzfähigen Untergestell wie Mika montiert werden kann und hier auch montiert ist und dieses Untergestell in der Produktgruppe 26 des Hilfsmittelkatalogs der PKV und auch der gesetzlichen Krankenversicherung gelistet ist. Die Sitzschale in Kombination mit dem Zimmeruntergestell Biene oder Delfin ist, auch wenn diese Gestelle ebenfalls der Produktgruppe 26 angehören, für den Gebrauch im häuslichen Bereich nach der Einschätzung des Senats ein Pflegehilfsmittel. Die Hilfsmittelverzeichnisse der sozialen Pflege- und der sozialen Krankenversicherung stellen lediglich Auslegungs- und Orientierungshilfen dar. Sie verkörpern, anders als in der PKV und PPV, keine abschließende, die Leistungspflicht der Kranken- und Pflegekassen iS einer "Positivliste" beschränkende Regelung (
BSG, Urteil vom 15.11.2007,
B 3 A 1/07 R in Juris, Rn 20 mwN). Insoweit ist der Senat nicht an die Zugehörigkeit des Hilfsmittels zu einer Produktgruppe gebunden. Bewertet der Senat die Kombination Sitzschale und Zimmeruntergestelle im konkreten Fall als Pflegehilfsmittel, ist auch die Beklagte nach § 23 Abs 1 Satz 2
SGB XI verpflichtet, entsprechende Leistungen vertraglich vorzusehen.
Die Neuversorgung mit der Sitzschale war auch erforderlich. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Verordnungen der W Kinder- und Jugendklinik E, sowie nunmehr auch aus dem letzten Schiedsgutachten von der N
GmbH vom 01.02.2012 und wird von der Beklagten letztlich auch nicht in Abrede gestellt.
Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das angeschaffte Fahruntergestell Mika. Die Verwendung dieses Fahrgestells dient vordergründig dem Behinderungsausgleich, wie der Senat bereits zur Kombination Sitzschale mit Fahrgestell Mika als Multifunktionsrollstuhle ausgeführt hat. Die Anschaffung des mit den großen Rädern und besonderen Vorrichtungen für den Außenbereich vorgesehenen Fahrgestells Mika mag sich zwar als praktikabel anbieten, weil es auch im häuslichen Bereich einsetzbar ist. Jedoch steht hier der Behinderungsausgleich im Vordergrund, denn dieses Untergestellt ist für die Gewährleistung der sachgerechten Pflege nicht erforderlich.
Dass der Kläger statt eines (grundsätzlich erstattungsfähigen) Zimmerfahrgestells das extern einsatzfähige Untergestellt Mika angeschafft hat, steht dem Anspruch nicht entgegen. Er hat allerdings keinen Anspruch auf ersatzweise Erstattung jedenfalls der Kosten eines Zimmeruntergestells. Im Rahmen des Kostenerstattungsanspruchs nach § 23 Abs 1 S 3
SGB XI kommt, ähnlich wie in der PKV (
OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 10.01.2011, Urteil vom 23.02.2011) eine Erstattung tatsächlich nicht entstandener und bloß hypothetischer Kosten nicht in Betracht.
Die Rechnung iHv von 8.119,00 Euro für Sitzschale und Sitzschalenuntergestell Mika weist für die Sitzschale 4.835,76 Euro (4.519,40 Euro
zzgl. 19 %
MwSt) und für das Fahrgestell 3.283,23 Euro (2.428,- Euro zzgl 7%
MwSt und 575,86
zzgl. 19 %
MwSt) aus. Der Senat hat die Rechnung überprüft und die Einzelpositionen jeweils der Sitzschale und dem Sitzschalenuntergestell zugeordnet. Die Kosten für die Sitzschale hat die Beklagte dem Kläger zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1
SGG zugelassen, weil er der Frage, ob ein in den Hilfsmittelverzeichnissen nicht ausdrücklich aufgeführtes Hilfsmittel, das für die Sicherstellung der häuslichen Pflege erforderlich ist, zur Pflegeversicherung gehört, obwohl es außerhalb der häuslichen Pflege auch in Bereichen des Behinderungsausgleichs eingesetzt wird, grundsätzliche Bedeutung beimisst.