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Urteil
Kein Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil der 12- bzw. 15 km/h-Version

Gericht:

SG Duisburg


Aktenzeichen:

S 9 KR 21/07


Urteil vom:

07.09.2007


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil der 12- bzw 15 km/h-Version statt mit einem solchen der 6 km/h-Version hat.

Der 1978 geborene, berufstätige Kläger ist bei der Beklagten pflichtversichert. Er leidet an einer armbetonten Tetraparese sowie einer Muskeldystrophie mit zunehmender Gehbehinderung. Der Kläger ist 1,91 m groß und wiegt seinen Angaben zufolge ca 103 kg. Er ist mit einem Schieberollstuhl versorgt und verfügt über einen Führerschein sowie ein Kraftfahrzeug.

Im Juni 2006 beantragte bei der Beklagten unter Vorlage einer Verordnung der Kiliani-Klinik, Bad Windsheim, die Versorgung mit einem Elektromobil (Scooter). Die Kosten belaufen sich lt Kostenvoranschlag des Sanitätshauses Luttermann, Essen, vom 03.07.2006 auf 2950,00 EUR in der 6 km/h-Version bzw auf rd 5297,00 EUR in der 15 km/h-Version.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger nach Prüfung im Schreiben vom 17.07.2006 ein Elektromobil in der 6 km/h-Version zum Preis von 2950,00 EUR. Hiergegen erhob der Kläger im Schreiben vom 25.07.2006 bei der Beklagten Widerspruch und trug vor: Er benötige auf Grund seiner Größe und seines Gewichts mindestens die 15 km/-Version, da er sonst weder einen Bordstein noch eine Steigung von 12 Grad überwinden könne. Dies habe er während der Rehabilitationsmaßnahme austesten können. Im Schreiben vom 13.09.2006 lehnte die Beklagte die Übernahme der Mehrkosten für ein Elektromobil in der 15 km/h-Version ab. Zur Begründung führte sie aus: Ihre Kostenzusage basiere auf einem Alternativ- Kostenvoranschlag, der ihr auf Anfrage von der Fa L. zugeleitet worden sei. Bei der Versorgung seien seine persönlichen Gegebenheiten berücksichtigt worden; sowohl Steigfähigkeit als auch zulässiges Patientengewicht entsprächen seinen Bedürfnissen. Überdies habe sie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 16.09.1999, Az: B 3 KR 2/99 R, nur für einen Basisausgleich der Behinderung einzustehen, was nicht iS eines vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten eines Gesunden zu verstehen sei.

Im Rahmen des von ihr zu gewährleistenden Grundbedürfnisses des selbstständigen Gehens und des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums gehöre nur die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die eigene Wohnung zu verlassen, um zB die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. Besonderheiten der Wohnlage könnten für die Hilfsmitteleigenschaft nicht maßgeblich sein. Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht und bat alternativ um die Genehmigung einer 12 km/h-Version, da er aus Erfahrung wisse, dass die 6 km/h-Version für ihn nicht ausreiche.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2006 wies die Beklagte den Widerspruch unter Darstellung der gesetzlichen Vorschriften zur Hilfsmittelversorgung aus den im zuvor geführten Schriftverkehr dargelegten Gründen zurück. Ergänzend führte sie aus: Die beantragte Versorgung mit einem Elektromobil mit einer Höchstgeschwindigkeit von 12 oder 15 km/h sei zur Ermöglichung der Grundbedürfnisse nicht erforderlich. Die Krankenversicherung sei nicht dafür zuständig, den Behinderten durch die Bereitstellung von Hilfsmitteln in die Lage zu versetzen, Wegstrecken jeder Art und Länge zurückzulegen, die ein Nichtbehinderter bei normalem Gehen zu Fuß bewältigen könne. Mit den zur Verfügung gestellten Hilfsmitteln könnten die von der Kasse zu ermöglichenden Grundbedürfnisse befriedigt werden. Die Versorgung mit einem schnelleren Elektromobil sei hierfür nicht notwendig. Aus den vorliegenden Produktprospekten sei überdies zu entnehmen, dass der Motor eines 6 km/h schnellen Elektromobils ausreiche, um anfallende Steigungen und Bordsteinkanten zu überwinden.

Der Kläger hat am 23.01.2007 durch seine Prozessbevollmächtigte Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Versorgung mit einem Elektromobil der 12- bzw 15 km/h-Version weiterverfolgt. Er trägt unter Wiederholung seines bisherigen Vortrages ergänzend vor: Auf Grund von Körpergröße und -gewicht sei er auf eine leistungsstärkere Ausführung angewiesen. Die Produktinformationen zur Überwindung von Steigungen bei einem Körpergewicht von 115 bzw 150 kg seien nicht überzeugend. Auch sei unter Kostengesichtspunkten fraglich, ob die Lebensdauer eines 12 -15 km/h schnellen Elektromobils in Anbetracht seines Körpergewichts gegebenenfalls höher sei. Der Kläger verweist auf einen von dem Sanitätshauses R. GmbH, Bad Windsheim, eingeholten Kostenvoranschlag vom 13. 04.2007, wonach sich die Kosten für ein Elektromobil "Strider Midi 4 Plus" in der 12 km/h-Variante auf 3906,44 EUR belaufen und regt an, dass die Beklagte ihm den für die avisierte Versorgung mit einem Elektromobil der 6 km/h-Version anfallenden Betrag als Zuschuss zur Beschaffung in der aufwändigeren Ausführung gewährt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Abänderung der Bescheide vom 17.07.2006 und 13.09.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2006 zu verurteilen, die Kosten für seine Versorgung mit einem Elektromobil in der 12- bzw 15 km/h-Version in vollem Umfang zu übernehmen bzw. ihm einen Zuschuss in Höhe des bewilligten Elektromobils der 6 km/h-Version zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verbleibt demgegenüber bei ihrer in der ablehnenden Entscheidung vertretenen Rechtsauffassung zum Umfang des Versorgungsanspruchs. Sie macht geltend: Soweit der Kläger die Produktbeschreibung des Herstellers in Zweifel ziehe, vermöge sie dem nicht zu folgen. Auch komme die begehrte Bezuschussung eines Elektromobils in der 12- bzw 15 km/h-Version nicht in Betracht, das es sich bei einem Elektromobil mit einer solchen Höchstgeschwindigkeit nicht mehr um ein Hilfsmittel iS der gesetzlichen Krankenversicherung handele.

Solche Elektromobile verfügten nicht über eine Zulassung als Hilfsmittel. Eine Versorgung mit einem schnelleren Elektromobil stelle auch keine höherwertige Versorgung innerhalb einer bestimmten Produktart dar. Deutlich werde dies bereits dadurch, dass die schnelleren Elektromobile einer Haftpflichtversicherung bedürften. Bei einem Elektromobil mit einer höheren Höchstgeschwindigkeit sei zudem ein deutlich erhöhter Verschleiß, eine kürzere Höchstnutzungsdauer und ein erheblich höheres Unfallrisiko zu erwarten. Eine Beteiligung an den Kosten der Beschaffung eines Elektromobils der 10-, 12- oder 15 km/h-Version sei der Beklagten folglich nicht möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie auf den der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich vorgelegen haben und ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Klage ist nicht begründet. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es mit den angefochtenen Bescheiden abgelehnt hat, den Kläger mit einem Elektromobil der begehrten 12- bzw 15 km/h-Version zu versorgen bzw ihm den Unterschiedsbetrag zwischen der bewilligten 6 km/h-Version und der begehrten Ausführung als Zuschuss zu leisten.

Der Kläger ist hierdurch nicht iS des § 54 Abs 2 S 1 SGG beschwert, denn die insoweit ablehnende Entscheidung der Beklagten ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat unter keinem ersichtlichen rechtlichen Gesichtspunkt gegenüber der Beklagten Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil der 12- bzw 15 km/h-Version bzw der Bezuschussung der Anschaffungskosten für eine solche Ausführung. Diesbezüglich hat es dabei zu verbleiben, dass Elektromobile mit einer über 6 km/h hinausgehenden Geschwindigkeit keine Gegenstände der Hilfsmittelversorgung darstellen, für die die Beklagte als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung einzustehen hätte.

Nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V iVm § 33 Abs 1 S1 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte im Rahmen der Krankenbehandlung Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Die letztgenannten Ausschlussgründe liegen bei der Versorgung mit einem Elektromobil ersichtlich nicht vor, ohne das dies einer weiteren Begründung bedarf. Im vorliegenden Fall soll die Versorgung mit einem leistungsstärkeren Elektromobil den Ausführungen des Klägers zufolge der Verbesserung und Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten des Hilfsmittels durch eine bessere Anpassung an seine körperlichen Gegebenheiten und sein Wohnumfeld dienen.

Insoweit hat der Kläger vorgetragen, dass er auf Grund seines Körpergewichtes nur mit einem Elektromobil der 12- bzw 15 km/h-Version in die Lage versetzt werde, Bordsteinkanten sowie in seinem Wohngebiet anfallende Steigungen zu überwinden. Es geht daher hier um die Frage eines Behinderungsausgleichs, der von der 3. Alternative des § 33 Abs 1 S 1 SGB V erfaßt wird. Gegenstand des Behinderungsausgleichs sind zunächst solche Hilfsmittel, die auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet sind, also zum unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Funktionen dienen. Im Falle des Kläger ist die Funktion des eigenständigen Gehens weitgehend ausgefallen, so dass ua das Elektromobil der selbstständigen Fortbewegung dient. Der ihr obliegenden Verpflichtung, den Kläger im Wege eines Sachleistungsanspruchs mit einem Hilfsmittel zu versorgen, das die Funktion des Gehens ersetzt, ist die Beklagte mit der zugesagten Zuverfügungstellung eines Elektromobils in der 6 km/h-Version hinreichend nachgekommen. Mit der bewilligten Versorgung hat die Krankenkasse ihre Leistungspflicht zur Schaffung eines so genannten Basisausgleichs erfüllt. Ein darüber hinausgehender Leistungsanspruch auf eine leistungsstärkere Versorgung besteht nach Maßgabe der Rechtsprechung ausdrücklich nicht. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf abzustellen, dass ein Hilfsmittel zum Ausgleich einer Behinderung nur dann erforderlich ist, wenn sein Einsatz der Sicherstellung eines allgemeinen Grundbedürfnisses dient.

Dazu gehören zum einen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) und zum anderen die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, der auch die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens umfasst. (Vgl hierzu: BSG in SozR 3-2500 § 33 SGB V Nr 32 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung) Maßstab ist stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke oder behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation und mit Hilfe des von der Krankenkasse gelieferten Hilfsmittels wieder aufschließen soll. Eine über die Befriedigung eines solchen Grundbedürfnisses hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist Aufgabe anderer Sozialleistungsträger. (Vgl hierzu: BSG in SozR 3-2500 § 33 SGB V Nr 29).

Es geht daher um die Frage, ob das Gebot eines möglichst weitgehenden Behinderungsausgleichs die Kasse verpflichtet, einen gehbehinderten Menschen mit einem leistungsstärkeren Elektromobil auszurüsten, um auf diese Weise seine Bewegungsfreiheit über den Bereich hinaus zu erweitern, den er sich zB mit einem Aktivrollstuhl oder einem Schieberollstuhl von seiner Wohnung aus erschließen könnte, um ggf auch weiter entfernte Ziele leichter aufsuchen zu können. Der Kläger hat indessen nach Maßgabe der Rechtsprechung nur Anspruch auf solche Hilfsmittel, die seinem Grundbedürfnis nach Bewegungsfreiheit iS des genannten Basisausgleichs dienen.

Diesen Zweck erfüllt das Elektromobil in der Standardausführung der 6 km/h-Version bereits ausreichend. Denn die Versicherten haben keinen Anspruch auf eine besonders schnelle Fortbewegungsmöglichkeit hinsichtlich der zurückzulegenden Entfernungen, die sich etwa an der Schnelligkeit bei der Fortbewegung an einem Radfahrer orientiert.
(Vgl hierzu: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.01. 2002, Aktenzeichen: L 4 KR 12/01 sowie Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24.08.2004, Aktenzeichen: L 11 KR 72/04.)

Vergleichend ist vielmehr ein Fußgänger heranzuziehen, dessen Tempo beim Zurücklegen eines Weges üblicherweise 6 km/h nicht überschreitet. Das Gericht verkennt nicht, dass das stärker motorisierte Elektromobil eine größere Bewegungsfreiheit bietet; der verständliche Wunsch des Klägers, sich hierdurch einen größeren Bewegungsradius zu erschließen, ist für das Gericht nachvollziehbar, er zählt jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen, die die Krankenkasse durch entsprechende Hilfsmittel ausgleichen muss. Demgegenüber ist nicht schlüssig dargetan, dass der Kläger zwingend einer leistungsstärkeren Version bedarf. Das Gericht geht auch davon aus, dass das bewilligte Elektromobil für den Kläger geeignet ist. Denn nach den vorliegenden Produktinformationen ist das bewilligte Elektromobil der 6 km/h-Version zur Bewältigung von Steigungen von 25 bzw 20 % bei einem Körpergewicht von 155 bzw 150 kg ausgelegt. Soweit der Kläger diese Angaben in Abrede stellt, ist dies nicht nachvollziehbar, zumal diese Angaben auf einer Überprüfung durch den TÜV beruhen und Eingang in das Hilfsmittelverzeichnis gefunden haben. Überdies sind nach Maßgabe der Rechtsprechung Besonderheiten des Wohnortes, zB eine hügelige Gegend, für die Hilfsmitteleigenschaft nicht maßgeblich und können demgemäß bei der Hilfsmittelversorgung nicht berücksichtigt werden. (Vgl hierzu: Urteil des BSG vom 10.10.2000, Az: B 3 KR 29/99 R).

Soweit der Kläger Schwierigkeiten beim Überwinden von Bordsteinkanten angibt, ist dem entgegenzuhalten, dass Bordsteinkanten den Erfahrungen der Kammer zufolge zumindest im städtischen Bereich abgesenkt sind, so dass sie keine unüberwindlichen Hindernisse darstellen dürften. Soweit dies für die Wohngegend des Klägers nicht zutreffen sollte, ist er auf die Inanspruchnahme des ihm zur Verfügung stehenden Kraftfahrzeuges zu verweisen. Mit dem allgemeinen Grundbedürfnis, selbstständig zu gehen, kann der Anspruch mithin nicht begründet werden.

Dieses Grundbedürfnis kann nämlich nicht dahin verstanden werden, dass die Krankenkasse einen Behinderten durch die Bereitstellung von Hilfsmitteln in die Lage versetzen muss, Wegstrecken jeder Art und Länge zurückzulegen, die eine Nichtbehinderter bei normalem Gehen zu Fuß bewältigen kann. Auch hier ist zu beachten, dass die gesetzliche Krankenversicherung bei dem Verlust der Gehfähigkeit nur für einen Basisausgleich zu sorgen hat. Zu den insoweit maßgeblichen vitalen Lebensbedürfnissen im Bereich des Gehens gehört jedoch nur die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang an die frische Luft zu kommen oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind.

In diesem Sinne ist die in den früheren Entscheidungen des BSG verwandte Formulierung zu verstehen, es sei auf diejenigen Entfernungen abzustellen, die ein Gesunder üblicherweise zu Fuß zurücklegt. Ein über den vorgenannten Rahmen hinausgehendes Bedürfnis "zu gehen" kann nicht als Grundbedürfnis anerkannt werden. Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall die Stellen der Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich der Wohnung liegen, also dafür längere Strecken zurückzulegen sind, die die Kräfte eines Rollstuhlfahrers bzw die Kapazitäten eines Elektromobils der Standardvariante möglicherweise übersteigen.

Auch das Grundbedürfnis der Erschließung eines "gewissen körperlichen Freiraums" hat die Rechtsprechung nur iS eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht iS des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten eines Gesunden verstanden. Auch der Umstand, dass der Kläger das bewilligte Elektromobil der 6 km/h-Version möglicherweise bei längeren oder schwierigeren Wegstrecken, so zB bei erheblichen Steigungen, nicht angemessen nutzen kann, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn das Elektromobil dient nur der Fortbewegung im unmittelbaren Nahbereich entsprechend den vom BSG in seinen Urteilen vom 08.06.1994, Aktenzeichen 3/1 RK 13/93 und vom 16. 09.1999, Az 3 RK 8/98, entwickelten Grundsätzen, denen zufolge bei der Gewährung von Mobilitätshilfen lediglich auf die Entfernungen abzustellen ist, die ein Gesunder üblicherweise zu Fuß zurücklegt bzw die erforderlich sind, um die Anforderungen des Alltagslebens zu meistern. Da es insoweit auf die besonderen Verhältnisse am Wohnort nicht ankommt, sind das Wohnumfeld des Klägers, seine individuellen Wohnverhältnisse und die von ihm konkret zurückzulegenden Wegstrecken in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Demzufolge kommt zum Ausgleich einer Gehbehinderung bzw des Verlustes der Gehfähigkeit lediglich die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl bzw Elektromobil in der 6 km/h-Version zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht.

Soweit der Kläger hilfsweise die Gewährung eines Zuschusses in Höhe des von der Beklagten bewilligten Elektromobils in der 6 km/h-Version zu den Anschaffungskosten eines Elektromobils in der 12- bzw 15 km/h-Version begehrt, so findet sich hierfür im geltenden Recht keine Anspruchsgrundlage. Eine Bezuschussung muß vorliegend bereits deshalb ausscheiden, weil ein Elektromobil in der 12- bzw 15 km/h-Version nicht mehr dem Hilfsmittelbegriff unterfällt, wie er für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung gilt. Als Hilfsmittel zum Ausgleich der ausgefallenen Funktion des Gehens können nur solche mit einer Höchstgeschwindigkeit von 6 km/h angesehen werden, wie oben anhand der zitierten Rechtsprechung dargelegt. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Umwandlung des Sachleistungsanspruchs auf Versorgung mit einem Elektromobil der 6 km/h-Version in einen Anspruch auf Bezuschussung der für die Anschaffung einer leistungsstärkeren Variante anfallenden Kosten, die nicht mehr dem Hilfsmittelbegriff der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Denn insoweit handelt es sich bei den leistungsstärkeren Modellen nicht etwa um eine höherwertige Versorgung, deren Mehrkosten nach § 31 Abs 3 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX) vom Kläger zu tragen wären. Bei den Elektromobilen der leistungsstärkeren Varianten handelt es sich vielmehr um eine andersartige Versorgung, wie zB auch durch die Notwendigkeit einer gesonderten Haftpflichtversicherung belegt wird.

Eine Zuschussgewährung zu einem nicht mehr als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung zu qualifizierenden Hilfsmittel muss von daher ausscheiden.

Nach alledem kann die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Referenznummer:

R/R2880


Informationsstand: 08.01.2008