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Urteil
Kein Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse zur Reparatur eines Elekrorollstuhls - Kein Anspruch auf einstweiligen Rechtsschutz

Gericht:

LSG Nordrhein-Westfalen


Aktenzeichen:

L 16 B 51/09 KR ER


Urteil vom:

06.08.2009


Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 06. August 2009 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1952 geborene, schwerbehinderte Antragsteller (ASt) wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine telefonische Mitteilung der Antragsgegnerin (AGn) an das Sanitätshaus E, S; darin hatte die Agn mitgeteilt, sie genehmige nicht, den dem ASt im Januar 2005 gewährten, inzwischen aber defekten Aktiv-Rollstuhl Sopur Easy 200 mit E-fix-Elektroantrieb zu einem Preis von circa 7500 Euro wieder zu reparieren. Der ASt verlangt einen schriftlichen Bescheid.

Der ASt leidet im Wesentlichen an einer Verengung des Wirbelkanals, verstärkt durch das Auftreten einer ausgedehnten Zyste im Bereich des 2. Sacralwirbels (Kreuzbeinwirbels), einem Verschleiß der Schultergelenke und an einem insulinpflichtigen Diabetes. Die linke Körperseite ist ausgeprägt kraftlos. Seine Gehfähigkeit ist massiv eingeschränkt. Er ist pflegebedürftig (Pflegestufe I) und auf die Benutzung eines (Elektro-) Rollstuhls angewiesen. Da der ASt in einem kleinen Ort im ländlichen Bereich wohnt, geht es ihm in erster Linie darum, einen Rollstuhl zu erhalten, mit dem er angesichts der Probleme bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel selbst in die umliegenden Kleinstädte fahren könne und der so schnell sei, dass ihn seine Ehefrau auf dem Fahrrad zu Einkäufen, Arzt- und Krankenhausbesuchen begleiten könne. Auch müsse das Gerät so beschaffen sein, dass er den Antrieb ohne fremde Hilfe ab- und anmontieren könne, damit er überhaupt Busse und Bahnen nutzen könne.

Für den Wohnbereich (2. Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses) steht ihm ein Leichtgewichts-Rollstuhl zur Verfügung. Außerdem hatte ihn die Agn mit dem o.a. Rollstuhl der Marke Sopur mit Zusatz-Elektroantrieb versorgt, den der ASt in einer angemieteten Garage untergebracht hatte (so jedenfalls laut Schriftsatz vom 05.12.2008). Dieser Rollstuhl erwies sich als überaus reparaturanfällig; er ist als defekt dem Lieferanten mit dem Ziel der Reparatur zurückgegeben worden.

Auf die ärztliche Verordnung einer Reparatur (Dr. S vom 18.05.2009) und den Kostenvoranschlag des Sanitätshauses E vom 18.05.2009 (Reparaturkosten 7.549,77 Euro) teilte die Agn dem Sanitätshaus am 29.05.2009 telefonisch mit, dass eine Reparatur unwirtschaftlich sei und abgelehnt werden müsse. Dem ASt sei eine Versorgung mit einem anderen, neuen Elektrorollstuhl angeboten worden. Dies habe die Agn dem ASt im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg, Aktenzeichen (Az) S 7 KR 14/09 ER (= Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Az L 16 B 30/09 KR ER) angeboten; der ASt verweigere jedoch die Annahme des neuen Rollstuhls.

Daraufhin hat der ASt am 04.06.2009 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beim SG die Instandsetzung des Sopur-Rollstuhls begehrt. Dies lehnte die Agn mit Schriftsatz vom 29.06.2009 ab und verwies auf ihr Versorgungsangebot aus dem genannten Verfahren (S 7 KR 14/09 ER).

In diesem Verfahren hatte der ASt schon am 18.02.2009 versucht, die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl Meyra Optimus 2 nach einem Angebot des Sanitätshauses E vom 14.08.2008 (Höchstgeschwindigkeit 15 km/h, zahlreiches Zubehör, Endpreis 8.701,96 Euro) durchzusetzen. Demgegenüber hatte die Agn dem ASt mit Bescheid vom 03.12.2008 einen Elektrorollstuhl Meyra Optimus 2 eines anderen Sanitätshauses in einfacherer Ausführung zum Preises von 4.936,19 Euro (Höchstgeschwindigkeit lediglich 6 km/h, mit weniger Zubehör) bewilligt. Der ASt hat jedoch auf dem von ihm ausgesuchten Modell des Sanitätshauses E bestanden (Widerspruch vom 05.12.2008, Klage vom 13./18.12.02.2009 - Az S 7 KR 17/09, Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 18.02.2009, Beschwerde vom 09./13.05.2009). Über die Klage ist noch nicht entschieden. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde rechtskräftig abgewiesen (Beschluss des SG vom 06.05.2009, Beschluss des LSG NRW vom 15.07.2009). Die Agn hat ihm im Verfahren vor dem SG lediglich zugesagt, ihn nicht nur mit dem lediglich 6 km/h schnellen Rollstuhl Optimus 2 zu versorgen, sondern zusätzlich mit einem weiteren Leichtgewichts-Rollstuhl (ohne Antrieb) für den Außenbereich.

In einem weiteren Verfahren versucht der ASt schließlich, einem Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhl, ausgerüstet mit einem Rollstuhlzuggerät nebst Elektroantrieb (sog. Handbike; Marke Speedy Duo), zum Erfolg zu verhelfen (ablehnender Bescheid ebenfalls vom 03.12.2008, Widerspruchsbescheid vom 11.02.2009). Über die entsprechende Klage vom 13./18.02.2009) ist gleichfalls noch nicht entschieden worden (Az S 7 KR 16/09).

Zu allem hat der ASt geäußert, ihm sei weder mit dem Meyra-Optimus-Rollstuhl noch mit einem E-fix-getriebenen Rollstuhl geholfen, da er diese ohne fremde Hilfe nicht nutzen könne. Er benötige einen Rollstuhl mit vorschaltbarem Antrieb. Das Antriebsteil könne er am Bahnhof oder an einer Bushaltestelle erforderlichenfalls zurücklassen und bei der Rückkehr ohne fremde Hilfe wieder anbringen (Schriftsätze vom 15. und 26.07.2009). Bis zur Gewährung eines solchen Geräts jedenfalls müsse ihm der bisherige Sopur-Rollstuhl repariert zur Verfügung gestellt werden. Mit Beschluss vom 06.08.2009 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Zum einen sei der Antrag unzulässig, weil kein Hauptsacheverfahren über den Reparaturanspruch anhängig sei. Darüber hinaus sei der Antrag auch unbegründet, weil der Anspruch des ASt aus § 33 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) auf Sicherstellung seiner Mobilität im Nahbereich letztlich durch die Bewilligung des Elektrorollstuhls Meyra Optimus 2 in Kombination mit einem weiteren Leichtgewichtsrollstuhl erfüllt sei (fehlender Anordnungsanspruch). Die Besonderheiten des Wohnortes könnten im Übrigen für die Beurteilung der Eigenschaft als Hilfsmittel nicht maßgeblich sein (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20.11.2008, Az B 3 KR 16/08 R). Auch fehle es an einem Anordnungsgrund, denn der ASt brauche nur das Angebot der Agn anzunehmen, ihn mit dem (langsameren) Elektrorollstuhl zu versorgen.

Der ASt hat am 11.08.2009 Beschwerde eingelegt. Er habe gar keinen Eilantrag zwecks Reparatur erhoben, sondern nur im Eilverfahren fordern wollen, seinen Reparaturantrag förmlich zu bescheiden. An dem vorhandenen Sopur-Rollstuhl seien im Laufe der Zeit Veränderungen durchgeführt worden, um der technischen Anfälligkeit entgegenzuwirken. Deshalb habe er eine weitere Reparatur in Betracht gezogen.

Die Agn beantragt,

die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Duisburg vom 06.08.2009 zurückzuweisen.

Sie hat bestätigt, dass sie dem Agn zunächst keinen schriftlichen Bescheid habe zukommen lassen. Unter dem 06.10.2009 hat die Agn den Reparaturantrag gegenüber dem ASt förmlich abgelehnt, weil die veranschlagten Reparaturkosten außer Verhältnis stünden zu den Kosten einer Neuversorgung. Sie meint im Übrigen, dem ASt fehle es am Rechtsschutzinteresse, weil ihm bereits eine ausreichende Versorgung angeboten worden sei.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der in Kopie vorliegenden Verwaltungsakten, auf den Inhalt der ebenfalls in Kopie auszugsweise vorliegenden Klageakten (S 7 KR 16 und 17/09) sowie der Akte S 7 KR 14/09 ER = L 16 B 30/09 KR ER Bezug genommen.

Hinweis:

Einen Fachbeitrag zum Einstweiligen Rechtsschutz finden Sie im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) unter:
http://www.reha-recht.de/fileadmin/download/foren/a/2013/A4-...

Rechtsweg:

SG Duisburg, Urteil vom 06.08.2009 - S 7 KR 55/09 ER

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

Nach § 86b Absatz (Abs) 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) können einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erfolgen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind insoweit glaubhaft zu machen, vgl. 86b Abs 2 Satz 4 SGG in Verbindung (iVm) § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Ausgehend von dem zuletzt geäußerten, eigenen Vortrag des ASt, es sei ihm mit seinem Eilantrag an das SG vom 04.06.2009 lediglich darum gegangen, die Agn zu einer förmlichen Bescheidung zu veranlassen, ist das Rechtsschutzbedürfnis an einer gerichtlichen Regelung spätestens mit der Erteilung des Ablehnungsbescheides der Agn vom 06.10.2009 entfallen. Einer Sachentscheidung über die Beschwerde des ASt gegen den ausführlichen und überzeugend begründeten Beschluss des SG vom 06.08.2009 bedarf es nicht mehr.

Selbst wenn der ASt nunmehr wieder geltend machen wollte, mit seinem "Antrag auf einstweilige Anordnung" vom 04.06.2009 (so Bl. 1 der Gerichtsakte) habe er - entgegen seinem zuletzt erhobenen Vorbringen - doch beantragt, die Agn "zur Instandsetzung des vorhandenen Rollstuhls zu verurteilen, damit (er) bis zum Ende des sozialgerichtlichen Verfahrens weiter am Allgemeinleben teil haben" könne, könnte seinem Begehren nicht gefolgt werden. Denn der ASt könnte sich auf keinen Anordnungsanspruch und keinen Anordnungsgrund stützen, um die Reparatur des von ihm wiederholt als ungeeignet bezeichneten Sopur-Rollstuhls durchzusetzen. Der Anspruch des ASt auf Hilfsmittelversorgung aus § 33 SGB V wird nämlich durch das Angebot der Agn, ihn mit dem Elektrorollstuhl Optimus 2 in der 6-km/h-Version sowie mit einem weiteren Aktivrollstuhl für den Außenbereich zu versorgen, voll umfänglich erfüllt. Dem ASt geht es ersichtlich darum, einen Rollstuhl zu erhalten, der es ihm ermöglicht, außerhalb des Nahbereichs seiner Wohnung Arztpraxen und Krankenhäuser aufzusuchen und in Begleitung seiner Ehefrau die notwendigen Einkäufe durchzuführen. Dabei weist er immer wieder auf die schlechte Verkehrsanbindung und auf die Probleme bei der Beförderung schwerer Elektrorollstühle hin. Für die Versorgung außerhalb des Nahbereichs steht dem ASt indes kein Anspruch zur Seite: § 33 SGB V erlaubt den Krankenkassen nur, worauf das SG und der Senat (vgl. etwa nur den Senatsbeschluss vom 15.07.2009 - L 16 B 30/09 KR ER) wiederholt hingewiesen haben, eine Rollstuhlversorgung unter Außerachtlassung der besonderen Verhältnisse am Wohnort - etwa in ländlichen Gebieten - (Hinweise auf die ständige Rechtsprechung des BSG, etwa im Urteil vom 20.01.2008, B 3 KR 16/08 R in www.juris.de; vgl jetzt auch BSG, Urteil vom 20.11.2008, B 3 KN 4/07 KR R, in Breithaupt 2009, 879 ff., zur Veröffentlichung in Sozialrecht (SozR) 4 vorgesehen, mit Hinweis in Randnummer (RN) 16 auf das Urteil des BSG vom 19.04.2007, B 3 KR 9/06 R (=BSGE 98, 213), dort Leitsatz 2 sowie RN 14 und 17).

Dem ASt kann von Seiten des erkennenden Senats nur angeraten werden, zur vorläufigen Sicherstellung seiner Mobilitätsversorgung den Vorschlag der Agn zur Gewährung eines (langsameren) Elektrorollstuhls (gegebenenfalls unter Vorbehalt und vorläufig) anzunehmen. Es obliegt seiner eigenen Entscheidung, ob er die daneben angestrengten Klageverfahren wegen der Versorgung mit einem aufwendigeren Elektrorollstuhl oder mit einem Rollstuhl, der mit einem Zuggerät versehen ist, fortführt. Soweit sich der ASt auf die Unzulänglichkeiten in der ländlichen Verkehrsversorgung beruft oder die Kosten für die Nutzung von Behinderten-Fahrtendiensten beklagt, wird er dies gegenüber den Verkehrsträgern und - bei Bedürftigkeit - gegenüber den Sozialhilfeträgern vorbringen müssen. Jedenfalls besteht insoweit kein Leistungsanspruch gegenüber der Agn.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit einer Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).

Referenznummer:

R/R3412


Informationsstand: 21.01.2011