Praxisbeispiel
REHADAT-Wissen Hörbehinderung – Interview "Zweisprachig in Studium und Beruf"

Kurzbeschreibung:

Ein Interview von REHADAT mit dem Studenten mit Hörbehinderung Tilman Volles im Rahmen von REHADAT-Wissen Ausgabe Hörbehinderung.

Inhalte des Gesprächs sind die Themenbereiche:
  • Angaben zur Person und Behinderung
  • Beeinträchtigung und Hörhilfen-Versorgung
  • Entwicklung der Hörhilfen-Technologie
  • Kommunikation mit einer Hörbehinderung
  • Auftretende Probleme im Studium
  • Ablauf und Förderung der Hilfsmittelversorgung
  • Wünschenswertes zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen
Das gesamte Gespräch finden Sie unter dem Reiter bzw. Tabulator Interview.

Schlagworte und weitere Informationen

Das Interview mit Herrn Tilman Volles führten Maisun Lange und Rieke Menne für REHADAT-Wissen Ausgabe Hörbehinderung.

Zur Person:

Tilman Volles hat nach der Mittleren Reife auf das Berufskolleg für hörbehinderte Menschen in Essen gewechselt und dort das Abitur gemacht. Nach einem Studium der Medizintechnik in Koblenz hat er ein Studium der Informatik begonnen und erste Berufserfahrungen im Ingenieurswesen gesammelt. In Berlin schloss er ein Studium der Sozialen Arbeit ab und erlernte darüber hinaus die Gebärdensprache. Derzeit studiert er Rehabilitationswissenschaften in Köln und begleitet und berät im Rahmen einer Teilzeittätigkeit als Sozialarbeiter Menschen mit und ohne Hörbehinderung.

REHADAT:

Wie ist Ihre Hörbeeinträchtigung und Hörhilfen-Versorgung?

Tilman Volles:

Ich bin seit frühester Kindheit an Taubheit grenzend schwerhörig und wurde schon früh beidseitig mit Hörgeräten versorgt. Mit Anfang zwanzig habe ich am rechten Ohr ein Cochlea-Implantat (CI) bekommen; am linken Ohr trage ich nach wie vor ein Hörgerät.

REHADAT:

Warum haben Sie sich für eine CI-Versorgung entschieden?

Tilman Volles:

Mit zunehmendem Alter und steigenden Kommunikationsanforderungen kam ich mit der Hörgeräteversorgung an meine Grenzen. CI sind viel moderner, kleiner und handlicher als früher.

REHADAT:

Verfolgen Sie die Entwicklung der Hörhilfen-Technologien?

Tilman Volles:

Nicht gezielt, erfahre aber über mein Umfeld immer wieder von technischen Neuheiten. Zum Beispiel, dass sich das neueste Modell meines Cochlea-Implantats via Bluetooth ohne weiteres Zusatzgerät mit dem Handy verbinden und viel leichter einstellen lässt oder dass ich darüber direkt Musik hören kann. Das ist eine Steigerung der Lebensqualität. Verständigungsmöglichkeiten verbessern sich meiner Erfahrung nach aber nur bedingt oder in kleinen Schritten.

REHADAT:

Wie kommunizieren Sie mit Ihren Mitmenschen?

Tilman Volles:

Ich bin lautsprachlich aufgewachsen. Seitdem ich die Gebärdensprache erlernt habe, bezeichne ich mich als bilingualen Menschen. Ich kommuniziere je nach Situation lautsprachlich, schriftsprachlich oder in Gebärdensprache. Das eröffnet mir viele Möglichkeiten.

REHADAT:

Gibt es in Ihrer Arbeit oder im Studium Probleme aufgrund der Hörbeeinträchtigung?

Tilman Volles:

Im Job unterhalten wir uns überwiegend in der Gebärdensprache, dort habe ich so gut wie keine Probleme. Bei Teamsitzungen oder Konferenzen nutze ich zur Unterstützung meine FM-Anlage, bei Telefonaten den Telefondolmetschdienst. Auch im Studium kann ich mittels Schriftdolmetscher und FM-Anlage den Inhalten gut folgen. Für eine schriftliche Prüfung habe ich einmal eine Schreibzeitverlängerung als Nachteilsausgleich in Anspruch genommen.

REHADAT:

Welche Situationen sind für Sie besonders schwierig?

Tilman Volles:

Gruppenbesprechungen in Lautsprache und Gespräche in lauter Umgebung oder wenn ich im Job viel telefonieren muss oder sehr viel in Englisch kommuniziert wird. In den Pausen an der Uni fällt es mir manchmal schwer, den Gesprächen der Kommilitonen zu folgen. Auf Dauer ist das ermüdend, und ich ziehe mich dann auch mal zurück. Zwischendurch tut es gut, auch mal nicht im Fokus zu stehen oder nicht ständig "auf Empfang gerichtet" zu sein.

REHADAT:

Wie ist die Versorgung mit den Hilfsmitteln bei Ihnen abgelaufen?

Tilman Volles:

Die FM-Anlage habe ich zuerst bei der Krankenkasse beantragt, die allerdings die Kostenübernahme abgelehnt hat. Das Studierendenwerk Berlin hat mir schließlich die FM-Anlage als Leihgerät zur Verfügung gestellt. Nach Beginn meiner Berufstätigkeit hat die Fachstelle für behinderte Menschen im Arbeitsleben im Rhein-Erft-Kreis den Restwert der FM-Anlage übernommen. Es hat ungefähr vier Monate gedauert, bis die Bewilligung der Kostenübernahme eingetroffen ist. Der Integrationsfachdienst (IFD) in Bonn hat mich beraten und unterstützt.
Den Gebärdensprachdolmetschdienst rechne ich mit dem Inklusionsamt ab. Die Schriftdolmetscher für das Studium werden vom LVR-Fachbereich Soziales ("Unterstützung im Studium") finanziert. Die Beantragung war aufwendig, da viele Unterlagen eingereicht werden mussten. Dafür ist die Bewilligung recht schnell eingetroffen, sodass ich die Hilfsmittel bereits zu Beginn des Semesters nutzen konnte.

REHADAT:

Ist Ihre Hilfsmittelversorgung ausreichend?

Tilman Volles:

Bei Teamsitzungen reicht meine aktuelle Hilfsmittelversorgung nicht immer aus. Daher möchte ich demnächst eine FM-Anlage mit höherer Reichweite beantragen. Bei noch größeren Sitzungen bin ich auf Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher angewiesen

REHADAT:

Haben Sie bestimmte Strategien für den Umgang mit anderen Menschen entwickelt?

Tilman Volles:

Ich bin gerne in kleinen Gruppen von maximal vier Leuten unterwegs, sodass ich den Gesprächen noch gut folgen kann. Zudem suche ich oft den Blickkontakt zu meinen Mitmenschen. Wenn ich nichts verstehe, frage ich nach und bitte je nach Situation auch um Rücksichtnahme. Auf der Arbeit lege ich gerne mal meine Hörhilfen ab, damit ich nicht abgelenkt werde und mich gut konzentrieren kann.

REHADAT:

Was würden Sie gerne in Ihrem beruflichen Alltag verändern?

Tilman Volles:

Ich wünschte mir, dass mehr Menschen für einen Umgang mit hörbehinderten Menschen sensibilisiert sind.

REHADAT:

Was wünschen Sie sich für die berufliche Teilhabe von Menschen mit Hörbeeinträchtigung?

Tilman Volles:

Ich wünsche mehr umfassende und gezielte Informationen über Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit einer Hörbehinderung. Wünschenswert wäre auch ein offener Austausch zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Gestaltung eines barrierefreien Arbeitsplatzes und eine gemeinsame Erarbeitung von Lösungen. Außerdem sollten Betriebe Kreativräume anbieten, um Reflexionen anzuregen, die Zusammenarbeit der Mitarbeiter zu fördern und Entspannungsmöglichkeiten zu bieten.

REHADAT:

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Es liegen keine Informationen zur Förderung vor.

ICF-Items

Mögliche Assessments – Verfahren und Merkmale zur Analyse und Bewertung

  • ERGOS - Hören
  • IMBA - Gestik/Mimik
  • IMBA - Hören
  • IMBA - Schall/Lärm

Referenznummer:

Pb/111124


Informationsstand: 24.03.2023