Urteil
Versorgung eines Bewegungsunfähigen mit Multipler Sklerose mit einem Umfeldbediensystems

Gericht:

LSG Bayern


Aktenzeichen:

L 4 KN 12/03 KR


Urteil vom:

09.03.2005


Tenor:

I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. Mai 2003 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, den 1939 geborenen (und am 16.01.2004 verstorbenen) Kläger, der an multipler Sklerose litt und bewegungsunfähig war, mit einem Umfeldbediensystem SICARE pilot mit Fensterantrieb, Antrieb zur Verstellung des Bett-, Kopf- und Fußteiles, Telefonbedienung, TV- und Videobedienung, Stereoanlage, Bedienung der Tischleuchte und Handhabung eines Diktiergerätes zu versorgen.

Die Beklagte hat nach Anhörung des Medizinischen Dienstes mit Bescheid vom 17.02.2000 die Versorgung mit der Begründung abgelehnt, es handle sich weder um ein Hilfsmittel noch um ein Pflegehilfsmittel. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2000 zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger Klage zum Sozialgericht München erheben. Im Klageverfahren erklärte sich die Beklagte bereit, die Aufwendungen für eine Sprachsteuerung, eine drahtlose UHM-Fernsteuerung mit acht Kanälen sowie eines Notruftelefonsystems zu übernehmen. Der Kläger war mit dem Vergleichsangebot nicht einverstanden. Das Sozialgericht hat nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte bei der Ärztin für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin Dr.N. ein Gutachten nach Hausbesuch und Untersuchung des Klägers eingeholt. Die Gutachterin kam zu dem Ergebnis, die verordneten Hilfsmittel bzw. Teile davon seien geeignet, die Behinderung auszugleichen und den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 08.05.2003 wurde die Sachverständige gehört, sie führte aus, das verordnete Hilfsmittel würde eine erhebliche Vergrößerung des Freiraums des Klägers zur Folge haben. Der Vorsitzende wies "mit Nachdruck auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung" der Beklagten hin. Aus dem Gutachten ergebe sich der Anspruch der klägerischen Seite gegen die Beklagte. Die weitere Rechtsverfolgung sei rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte wurde darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, gemäß § 192 Abs.1 SGG Kosten in Höhe von mindestens 150,00 Euro bei Fortführung des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die Beklagte gab kein Anerkenntnis ab, sie hielt jedoch an ihrem Vergleichsvorschlag fest.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 08.05.2003 die Beklagte verurteilt, dem Kläger das Umfeldkontrollsystem SICARE pilot gemäß dem Angebot der Firma Human System vom 14.12.1999 in den Positionen 1 bis 3 und 9 bis 20 zur Verfügung zu stellen und den Kläger hierfür von jeglichen Kosten freizustellen. Die Beklagte sollte die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers erstatten und wurde unter III. des Tenors verpflichtet, an die Staatskasse 2.000,00 Euro zu bezahlen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie hat das Urteil nicht ausgeführt. Am 16.01. 2004 ist der Kläger verstorben. Die Leistungserbringung habe sich durch den Tod des Berufungsbeklagten erledigt. Die eingelegte Berufung sei bezüglich der auferlegten Mutwillenskosten fortzuführen. Die Beklagte habe den Rechtsstreit entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht mutwillig betrieben und nicht verschleppt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.05.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Rechtsnachfolgerin des Klägers hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert auch nachdem mit Schreiben vom 21.02.2005 die bisher Bevollmächtigte die Vertretung niedergelegt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Rechtsweg:

SG München Urteil vom 08.05.2005 - S 2 KN 115/00 KR

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig und begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.05.2002 ist aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2000 abzuweisen. Der Anspruch des am 16.01.2004 verstorbenen Klägers auf die ihm vom Sozialgericht zugesprochene Hilfsmittelversorgung ist gemäß § 19 Abs.1 SGB V i.V.m. § 190 Abs.1 SGB V erloschen. Nach § 19 Abs.1 SGB V erlischt der Anspruch mit dem Ende der Mitgliedschaft, gemäß § 190 SGB V endet die Mitgliedschaft mit dem Tod des Mitglieds.

Da die Beklagte im Berufungsverfahren obsiegt, ist das zur Leistung verpflichtende Urteil des Sozialgerichts München in vollem Umfang aufzuheben. Ob die Voraussetzungen zur Auferlegung von Verschuldenskosten gegeben waren, ist nicht mehr zu überprüfen. Da auf der Klägerseite offensichtlich keinerlei Interesse mehr an den Rechtsstreit besteht, ist der Frage nach einer Feststellung i.S. von § 131 Abs.1 S.3 SGG nicht nachzugehen. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.

Referenznummer:

R/R2255


Informationsstand: 11.07.2005