Das Verwaltungsgericht Hannover verpflichtete das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung zur Kostenübernahme eines sprachgesteuerten Umfeldkontrollsystems für einen Kläger, der an Amyotropher Lateralsklerose erkrankt ist.
Der Kläger war als Ruhestandsbeamter des Landes Niedersachsen mit einem Bemessungssatz von 70% beihilfeberechtigt. Durch seine degenerative neuromuskuläre Erkrankung sind seine Arme und Hände kraftlos und können keinerlei Bewegung mehr ausführen. Bei den Verrichtungen des alltäglichen Lebens ist er ganz auf fremde Hilfe angewiesen. Er ist nicht in der Lage, elektrische Schalter, Radio, Fernseher oder Telefon zu bedienen.
Dem Kläger wurde deshalb von seinem Hausarzt das Umfeldsteuerungssystem "Easy by voice" nebst Zubehör verschrieben. Computer, Monitor und Tastatur gehörten nicht zum Lieferumfang. Der Kläger nutzt zur Bedienung des Geräts seinen eigenen Computer und kann damit auf Fernseher, Telefon und andere Geräte zugreifen und seine Behinderung zumindest teilweise ausgleichen.
Die beklagte Beihilfeversicherung lehnte die Kostenübernahme ab mit der Begründung, das Gerät sei nach den Beihilfevorschriften von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein. Er führte zur Begründung aus, er könne mit dem Umfeldsteuerungssystem weiterhin wissenschaftlich arbeiten, Kontakte aufrecht erhalten und sich über politische und gesellschaftliche Entwicklungen informieren.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, weil das Umfeldsteuerungssystem nicht dem direkten Ausgleich der Behinderung diene sondern nur an den Folgen der Behinderung im beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Feld ansetze. Es sei nicht Sinn der Fürsorgepflicht, dem Versorgungsempfänger jede Daseinsvorsorge abzunehmen. Die Beihilfe sei lediglich eine Hilfestellung neben einer zumutbaren Eigenbelastung.
Hiergegen klagte der Betroffene. Zur Begründung fügte er an, der Ausschluss des Umfeldkontrollsystems aus der Leistungspflicht der Beihilfe verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und sei diskriminierend. Wie ein Rollstuhl die fehlende Motorik der Beine ersetze, so ersetze das Umfeldkontrollsystem die Motorik der Arme. Darüber hinaus verstoße die Entscheidung gegen die Fürsorgepflicht des Landes Niedersachsen gegenüber seinen davon betroffenen Landesbeamten.
Das Verwaltungsgericht betrachtete die Klage als begründet und stellte fest, dass das Umfeldkontrollsystem ein Hilfsmittel im Sinne der Beihilfeverordnung sei. Das System ersetze unmittlbar das Greifen, zu dem der Kläger infolge seiner Erkrankung nicht mehr in der Lage sei. Es sei daher auf den direkten Ausgleich körperlicher Funktionen ausgerichtet. Zwar entspräche das begehrte Umfeldkontrollsystem einem Gerät, das in der Negativliste nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV, (Nr. 9 Anlage 3) der nicht beihilfefähigen Geräte aufgeführt sei. Bei dem begehrten Hilfsmittel handele es sich jedoch um eine technische Einrichtung, die sich zur Beseitigung des "regelwidrigen Zustandes" eigne; der Kläger sei auf das Hilfsmittel existenziell angewiesen. Es gebe ihm die Möglichkeit, trotz der Schwere seiner Erkrankung weiterhin mit anderen Menschen in Verbindung zu treten.
Das Umfeldkontrollgerät sei auch kein Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung. Hinzu käme, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Kläger, wenn er gesetzlich versichert wäre, einen Anspruch auf Kostenübernahme der GKV hätte (vgl. BSG Az.: 3/8 RK 16/87).
Die Fürsorgepflicht des Dienstherren gegenüber seinen Beamten könne nicht in einem so wesentlichen Punkt wie der Gewährung von Beihilfe für ein zwingend notwendiges Hilfsmittel hinter den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zurückbleiben.